Anmerkungen zur Transkription:

Der Text stammt aus: Imago. Zeitschrift für Anwendung derPsychoanalyse auf die Geisteswissenschaften II (1913).S. 1–21.

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Über einige Übereinstimmungen im Seelenleben der Wilden und der Neurotiker.
Von SIGM. FREUD.
III.
Animismus, Magie und Allmacht der Gedanken.

1.

Es ist ein notwendiger Mangel der Arbeiten, welche Gesichtspunkteder Psychoanalyse auf Themen der Geisteswissenschaftenanwenden wollen, daß sie dem Leser von beidenzu wenig bieten müssen. Sie beschränken sich darum auf denCharakter von Anregungen, sie machen dem Fachmanne Vorschläge,die er bei seiner Arbeit in Erwägung ziehen soll. Dieser Mangelwird sich aufs äußerste fühlbar machen in einem Aufsatz, welcherdas ungeheure Gebiet dessen, was man Animismus nennt, behandelnwill(1).

Animismus im engeren Sinne heißt die Lehre von den Seelenvorstellungen,im weiteren die von geistigen Wesen überhaupt. Manunterscheidet noch Animatismus, die Lehre von der Belebtheit deruns unbelebt erscheinenden Natur, und reiht hier den Animalismusund Manismus an. Der Name Animismus, früher für ein bestimmtesphilosophisches System verwendet, scheint seine gegenwärtige Bedeutungdurch E. B. Tylor erhalten zu haben(2).

Was zur Aufstellung dieser Namen Anlaß gegeben hat, istdie Einsicht in die höchst merkwürdige Natur- und Weltauffassung der uns bekannten primitiven Völker, der historischen sowohl wieder jetzt noch lebenden. Diese bevölkern die Welt mit einer Unzahlvon geistigen Wesen, die ihnen wohlwollend oder übelgesinnt sind;sie schreiben diesen Geistern und Dämonen die Verursachung derNaturvorgänge zu und halten nicht nur die Tiere und Pflanzen,sondern auch die unbelebten Dinge der Welt für durch sie belebt.Ein drittes und vielleicht wichtigstes Stück dieser primitiven »Naturphilosophie«erscheint uns weit weniger auffällig, weil wir selbst nochnicht weit genug von ihm entfernt sind, während wir doch die Existenzder Geister sehr eingeschränkt haben und die Naturvorgängeheute durch die Annahme unpersönlicher physikalischer Kräfte erklären.Die Primitiven glauben nämlich an eine ähnliche »Beseelung« auchder menschlichen Einzelwesen. Die menschlichen Personen enthaltenSeelen, welche ihren Wohnsitz verlassen und in andere Menscheneinwandern können; diese Seelen sind die Träger der geistigen Tätigkeitenund bis zu einem gewissen Grad von den »Leibern« unabhängig.Ursprünglich wurden die Seelen als sehr ähnlich den Individuenvorgestellt und erst im Laufe einer langen Entwicklunghaben sie die Charaktere des Materiellen bis zu einem hohen Gradvon »Vergeistigung« abgestreift(3).

Die Mehrzahl der Autoren neigt zu der Annahme, daß dieseSeelenvorstellungen der ursprüngliche Kern des animistischen Systemssind, daß die Geister nur selbständig gewordenen Seelen entsprechen,und daß auch die Seelen von Tieren, Pflanzen und Dingen in Analogiemit den Menschenseelen gebildet wurden.

Wie sind die primitiven Menschen zu den eigentümlich dual

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