Die
Falkner vom Falkenhof

Roman von
Euf. v. Adlersfeld-Ballestrem

Fünfundzwanzigste Auflage

Erster Band


Verlag von Philipp Reclam jun. Leipzig

Alle Rechte vorbehalten

Gedruckt 1922 in der Druckerei von Philipp Reclam jun.
Leipzig

I.

Ich sprach zur Taube: »Flieg' und bring im Schnabel
Das Kraut mir heim, das Liebesmacht verleiht,
Am Ganges blüht's, im alten Land der Fabel –« –
Die Taube sprach: »Es ist zu weit.«
E. Geibel nach François Coppée.

Bravo! Bravo! Da capo!

Ein wahrhaft frenetischer Applaus rauschte und braustedurch die weiten Räume des Opernhauses zu X. und übertäubtefast die wilden, diabolischen Klänge des Orchesters,das eine seltsame, originelle Weise spielte.

Es war die erste Aufführung der neuen Oper eines unbekanntenund ungenannten Komponisten, eine phantastischeOper, »Satanella« genannt, deren Libretto dem Publikumeine jener rätselhaften »Teufelinnen« der alten Zeiten vorAugen führte, die aus ihrem unterirdischen Reich heraufgekommenwar, um durch ihre Schönheit einen »minnigenSänger« zu bestricken und in den Tod zu treiben. Von demwütenden Volke aufgegriffen, wird sie als Hexe zum Scheiterhaufengeschleppt und an den Pfahl gebunden. Unter denKlängen eines prachtvollen Chores wird der Holzstoß entzündet,und Rauch und Flammen steigen empor, die Teufelinzu vertilgen von der Erde. Da plötzlich teilten sich die Flammen,Satanella schüttelt lachend die Fesseln von ihren Händen,das graue Büßer- und Sterbehemd fällt von ihrenSchultern, und sie selbst steht in Höllenpracht gekleidet vor dem entsetzten Volk. In wilden Dithyramben singt sie ihrbestrickendes Zauberlied, und mit dem jauchzenden Schluß:»Lebt wohl, ich kehre zurück zu euch, so lang die SchönheitSiege feiern wird, so lange Männerherzen sich noch bethörenund betrügen lassen –« sinkt Satanella hinab in die sieverschlingende Erde.

Diesem Schlusse jauchzte das Publikum zu und konntesich nicht satt hören an der mächtigen, süßen und metallreichenStimme der fremden Sängerin, welche eigens gekommenwar, um die »Satanella« zu singen, und konntesich nicht satt sehen an dem wunderbar malerischen Schlußtableaumit dem brennenden Scheiterhaufen, den mittelalterlichenMauern der Stadt mit ihren Türmen und Erkern,dem entsetzt zusammengedrängten Volke und der Gestalt derSatanella auf dem Holzstoße.

Und sie war in der That wunderbar schön, diese fremdePrimadonna, Señora Dolores Falconieros – eine schlanke,geschmeidige Gestalt mit dem leuchtenden Rothaar Tizians,das in üppigen Wellen herabfiel auf das scharlachrote, seideneGewand, das sie umschloß. Und in dem blutlosen und dochlebensfrischen Antlitz brannten große, strahlende, sammetschwarzeAugen, deren Glanz noch gehoben wurde durch diesich über der feinen römischen Nase schließenden dunklenBrauen, durch die langen, seidenartigen Wimpern.

Und wie sie dort stand auf der Bühne inmitten desrotglühenden Feuers, im roten Gewand und roten Haar,in dem ein zweigezacktes Brillantdiadem blitzte und funkelte,mit der wunderbar bestrickenden Stimme ihr in seltsamemRh

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