Anmerkungen zur Transkription
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Nikolaus Leskow
Roman
Kurt Wolff Verlag
Deutsche Übertragung von Arthur Luther.
Copyright 1919 by Kurt Wolff Verlag, Leipzig.
Die Leute, deren Leben und Treiben diese Erzählung schildernsoll, sind die Bewohner der Dompfarrei von Stargorod:der Propst Sawelij Tuberozow, der Pfarrer Zacharia Benefaktowund der Diakon Achilla Desnitzyn. Ihre Jugendjahre,sowie auch ihre Kindheit lassen wir unberührt. Willder Leser sie vor sich sehn, wie unsere Geschichte sie faßt,so muß er sich das Haupt der Stargoroder Geistlichkeit, denPropst Sawelij Tuberozow, als Mann vorstellen, der dieSechzig bereits überschritten hat. Vater Tuberozow ist hochgewachsenund von stattlicher Leibesfülle, aber noch sehr rüstigund beweglich. Dasselbe gilt von seinen Geisteskräften: aufden ersten Blick erkennt man, daß er sich alle Glut des Herzensund alle Energie der Jugend bewahrt hat. Seinenauffallend schönen Kopf ist man versucht, als Urbild männlicherSchönheit zu betrachten. Tuberozows Haar ist dicht,wie die Mähne eines gewaltigen Löwen, und weiß, wie dieLocken des Zeus von Phidias. Es türmt sich malerisch alsmächtiger Schopf über der hohen Stirn und fällt in dreigroßen Wellen nach rückwärts, ohne die Schultern zu erreichen.In dem langen zweigeteilten Bart des Propstes[2]und in dem kleinen Schnurrbart, der bei den Mundwinkelnmit dem Bart in eins zusammenfließt, blitzen hie und danoch ein paar schwarze Haare auf, welche dem Bart das Aussehenvon schwarz emailliertem Silber geben. Die Brauendagegen sind ganz schwarz. In zwei steilgebogenen S-Linienvereinigen sie sich über dem Rücken seiner ziemlich großenund fleischigen Nase. Die Augen sind braun, groß, kühnund klar. Sie haben es ein ganzes Menschenleben lang verstanden,der Spiegel eines regen und starken Geistes zu sein.Wer dem Propste nahestand, sah sie von freudiger Begeisterungdurchstrahlt, von Schmerz umnebelt, in Tränen derRührung gebadet. Mitunter flammte in ihnen das Feuerder Entrüstung und sie sprühten Funken des Zorns, keineseiteln, rechthaberischen Zornes, sondern des Zornes eines bedeutendenMannes. Aus diesen Augen leuchtete die geradeund ehrliche Seele des Propstes Sawelij, die er in seinerchristlichen Zuversicht unsterblich glaubte.
Zacharia Benefaktow, der zweite Pfarrer am StargoroderDom, ist ein Wesen ganz anderer Art. Seine Person istdie verkörperte Sanftmut und Milde. Wie sein bescheidenerGeist sich in keiner Weise hervorzutun begehrt, so nimmt auchsein winziger Leib nur ganz wenig Platz weg, als wäre es ihmpeinlich, die Erde allzusehr zu beschweren. Er ist klein, mager,schmächtig und kahlköpfig. Zwei kleine Löckchen graugelberHaare flattern nur noch über seinen Ohren. An Stelle einesBartes scheint dem Vater Zacharia am Kinn ein StückchenSchwamm zu kleben. Er hat winzige Kinderhände, die erimmer in den Taschen seines Leibrock