Anmerkungen zur Transkription
Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter Textist so ausgezeichnet. Im Original in Antiqua gesetzter Textist so markiert.
Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sicham Ende des Buches.
Bilder aus einem Landgängerdorfe
von
Ottokar Schupp.
Bielefeld und Leipzig.
Verlag von Velhagen & Klasing.
1867.
Ich hatte den Gipfel des Dachsbergs wieder erreicht und warsomit in den Bezirk meines Kirchspiels eingetreten. Hier pflegteich mich von dem ermüdenden Steigen zu erholen und einenkleinen Umblick zu halten. Denn die Aussicht von dort in diegesegneten Fluren der Wetterau, die einem weit und breit,umgränzt von den blauen Höhen des Vogelbergs, zu Füßenliegt, und in die vielen Dörfer, Städte und Burgen ist eineso reizende, daß man sich immer wieder gefesselt fühlt, wennman sie auch schon hundert und tausendmal betrachtet hat.
Heute bedurfte ich der Ruhe mehr, als gewöhnlich, da ichvon einer ziemlich weiten Fußtour zurückkehrte und die Sonnemit ihren heißen Glutblicken mir an dem langen Sommertagegehörig zugesetzt hatte. Ich suchte mir deshalb ein bequemes,schattiges Plätzchen im nahen Buchengehölz, und nachdem ichmir eine Cigarre angesteckt und meine müden Glieder behaglichauf dem schwellenden Moose ausgestreckt hatte, genoß ichmit allen Sinnen den herrlichen Abend, den Gott über dasLand hereinsandte.
Die Cigarre schmeckte besser, als heute den ganzen Tag.Der kräftige Waldesduft stärkte die erhitzten Lungen und gabneuen Lebensmuth. Zu meinem besonderen Ohrenschmause[2]schienen Finken und Drosseln einen kleinen Sängerkrieg veranstaltetzu haben. Das Auge hingegen ruhte vergnüglich aufder mit Schönheiten gesättigten Landschaft. Aber all' dieserbeneidenswerthe Genuß konnte mich nicht der Art erfassen, daßnicht der müde Leib, durch die bequeme Lage verführt, in jenenträumerischen Halbschlummer gefallen wäre, der nur wenigbedurfte, um in festen Schlaf überzugehen.
Aus diesem süßen Hindämmern wurde ich durch Stimmenauf der Landstraße aufgeschreckt. Es war sonderbarer Weise einmilitärisches Commando, was ich hörte. Ich glaubte anfangsnoch zu träumen. Denn wie kam hier Militär her? hier aufdie einsame Gränze? – Sollte eine Räuberbande entdeckt wordensein? Sollte der Schmuggel eine solche Ausdehnung gewonnenhaben, daß man Militär requirirt hatte? – daßsich dieselben Scenen wiederholten, wie etwa vor vierzigJahren, wo auf der nämlichen Stelle ein furchtbares Gemetzelmit den Schmugglern stattfand? Ich verwarf bald dieseGedanken, die mir nur so durch den Kopf schossen, als zu abenteuerlich.Und doch hörte ich jetzt ganz deutlich durch denWald hin: »Bataillon halt! Gewehr ab! Auf der Stelle ruht!«– Freilich vernahm ich nicht das Aufstampfen der Füße, dasRasseln der Gewehrkolben. Aber jetzt hieß es wieder: »BataillonAchtung! Gewehr auf! Vorwärts marsch!«
Ich war neugierig geworden und schob die Zweige auseinander,um besser die Straße überblicken zu können und sahdann zu meinem Erstaunen nichts weiter, als einen Mann undeine Frau in der üblichen Landestracht, die jetzt ganz in meineNähe gekommen waren.
Vo