Leopold Schefer

Die Osternacht

Die Osternacht.

Erste Abtheilung.


 

 

Sinnwort:

Erdennoth

Keine Noth!

Nur vom Herzen

Kommen Leiden,

Leben, Freuden,

Tod und Schmerzen.

 

1.

Wer machte denn die Thür auf, Johannes? — Johannes, hörstDu! schlafe nur nicht so fest. Es weht die Kinder kalt in ihrenBettchen an. Geh’, mache sie zu! ich fürchte mich. Sieh’, guckt esnicht dort mit funkelnden Augen herein? hat es nicht Hörner? —

Christel fuhr unter die Bettdecke. Du bist ein furchtsamesKind, sprach Johannes; und das kommt daher, daß Deine MutterDich zehn Jahre nach ihrem vorletzten Kinde getragen und sichvor den Leuten geschämt und nur im Dunkel ausgegangen. Warsie denn nicht eine eheliche Frau, noch ein Weib in ihren bestenJahren? Nun hab’ ich mein Leiden mit Deiner Furcht, und auchder ganz kleine Junge alterirt sich schon, wenn man ihn nur miteinem Hasenfuß anrührt. — Geh’; Daniel, stehe Du auf undmache die Thür zu und sperre die Ziege ein.

Der kleine Daniel sprang mit bloßen Füßen aus dem Bett,um zu gehen.

Vater, rief er, es ist Wasser in der Stube! Bis über dieKniee! Mutter, die Wiege ist schon zum Fenster geschwommen.

Du bist noch im Traume! Daniel, sprach die Mutter.

Nein, Mutter! wahrhaftig Wasser. Hörst Du? — Und nunrauschte er mit den Füßen darin.

Auch die Ziege kam gewatet. Die Mutter sprang aus demBett und eilte zum Kleinen in der Wiege. Der Vater sah zumFenster hinaus.

Um des Himmels willen, was ist denn? fragte Christel. Hu,wie kalt ist das Wasser! —

Johannes antwortete nicht. Er hörte nur scharfes Läutenvom Kirchthurm, ein dumpfes Rauschen, ängstliche Stimmen imDorfe, gerufene Namen, Geschrei der Kinder und hohles gedämpftesGebrüll des Viehes. Männer und Weiber und Kinder fuhrenwie im Schattenspiel in der Nacht, selbst wie Schatten inKähnen vor dem Hause vorüber, wo Abends noch trockene Straßewar. Ein Mann führte seine Kühe watend nahe am Zaune desGärtchens vor seinem Fenster hin. — Was ist das? fragte er ihn.Keine Antwort. Ein Anderer ritt auf dem Pferde, einen Knabenvor sich. Ist denn das der Rhein hier? fragte er diesen. — DasWasser hier im Hause der Rhein! wiederholte Christel. —

Das Mal ist er es! antwortete Jener draußen vom Pferde,vorüber eilend; macht, daß Ihr fort kommt, Johannes! der Dammist gebrochen! —

Das hier der Rhein? das Wasser hier! Hat davon jemalsim Dorfe ein alter Mann erzählt? fragte Christel.

Das Mal ist das der Rhein! Wir stehen hier im Rheinin der Stube! sagte Johannes. — Horch, wieder die Sturmglockevom Thurm! das klingt ängstlich! Nimm die Kinder, die Kinder,und fort, fort!

Laß Dich nicht übereilen, Johannes! sagte Christel gefaßt.Einen Augenblick überlegt, was wir thun, was wir nehmen undlassen. Der Augenblick kommt nicht wieder! Das hat Dir Gotteingegeben, den Kahn noch gestern im Hofe fertig zu machen, selber...

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