Heloise
ein kleiner Roman

herausgegeben
durch
Karl Ludwig von Woltmann.


Berlin,
bei Johann Friedrich Unger.
1809.

Vorrede.

Im Jahr 1804 erschien ein lieblichesProdukt, »Euphrosyne,«worin zarter und tiefer Geist dieschönsten Geheimnisse des weiblichenHerzens ausgehaucht hatte.

Aber eine dürftige Fabel undnichtige männliche Charaktere wareneine unangenehme Erscheinungin dem reinen Aether, welcherdurch genialisches Gefühlund gedankenvolle Phantasie hingeströmtwar.

Jene herbe Masse ist nunhinweggenommen, und eine bestimmteWirklichkeit ist nur insoweit angedeutet, als die Empfindung,derselben wie eines Anlassesbedarf, um sich auszusprechen.Das Gefühl ist sich hierselbst der Gegenstand, und dasHeldenmäßige in dieser Dichtungist nicht der Geliebte, sonderndie Liebe.

Dadurch wird zugleich dastiefste Geheimniß des weiblichenHerzens verrathen, nämlich, daßes mehr um die Liebe, als denGeliebten sorget, es jener in ihrerschönen Eigenthümlichkeit bedarfund in ihr selig ist, wennder Geliebte in der Wirklichkeitdem Bilde des zarten und tiefenBusens auch wenig entsprechensollte.

Alles hat das weibliche Gemüth,welches hier redet, durchdie Liebe begriffen, und diese istdas Genie, welches hier schaffet.

Das jugendliche Herz, demzuerst eine Wirklichkeit gegebenwurde, aus welcher die Phantasieschlechterdings keinen Geliebtenbilden konnte, giebt seine Liebean die Natur und die Sehnsucht.Dadurch bekommt sie etwas Allgemeinesund Wehmütiges, undso ist der Grundton der ganzenDichtung angegeben, welcherselbst aus dem Jubel über dengefundenen Geliebten hervorhallt.Er bleibt wie ein Glockenklang,der von dem Grabe herkommt,in welches die Freuden dieserLiebe früh versinken sollen.

Selbst diesen Freuden entziehtsich die Geliebte, um derFreundin wohlzuthun. Das weiblicheGemüth kann die Wonneder Liebe, nur nicht die Liebeaufopfern, um Pflicht und Wohlwollenzu üben.

Die Sprache dieses Buchsist wie die Liebe selbst. Heloiseheißt seine Ueberschrift;denn dieser Name ist Symbolfür die weibliche Liebe geworden.

Berlin im December 1808.

Woltmann.


I.

So hat denn der Tod das Band einerunglücklichen Ehe gelöset, und ich binWittwe, bin frei. Ist es Betrübniß,was ich empfinde? Die Freude wenigstensist meinem Herzen ferner, als derGram: ich bin sanft zur Wehmuth gestimmt.

Auch wenn man nicht glücklich imehelichen Verhältniß war: so schlingendoch tausend Erinnerungen, worin desGatten Bild verwebt ist, tausend kleineGewohnheiten, die auf ihn Bezughatten, ein Band um Vermählte, dessen Auflösung dem fühlenden Herzenschmerzlich wird. Das Licht der gesenkten,verlöschenden Fackel, fällt aufdas Gute des Sterbenden, auf unserUnrecht gegen ihn; und der Schattendes Todes bedeckt seine Fehler. Ichhabe nie am Abend meinen Gemahlverlassen können, wenn er mich beleidigtoder gekränkt hatte, ohne ihm versöhnteine gute Nacht zu wünschen;und nun sollte er den langen Todesschlafschlummern, ohne daß ich ihmvergäbe, ihn von ganzem Herzen beweinte?Ich habe nie seinen Tod gewünscht:das Gefühl des Daseyns, dasich am Busen der ewigen Natur dankbarmit jedem Athemzug der balsamischenLuft in meine Seele trank; dasGeräusch der leisen ahnungsvollen Stimmen der lebendigen Schöpfung,das mich oft in Träume wiegte, undmeinen Geist in schwelle

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