Roman
von
Henriette Hanke
geb. Arndt.
Zweiter Theil.
Hannover, 1836.
Im Verlage der Hahnschen Hofbuchhandlung.
Graf Frankenstern war der letzte Sprößling einesalten fränkischen Geschlechts. Früh verwais't, seinemStammhaus entfremdet, hatte er den Besitz der deutschenStandesherrschaft Bonna und Bühle, einerSpaltung der Familie und dem Unglück seines Oheimszu danken, der vier kräftige Söhne in der Blüthe ihrerJugend hinsterben sah, um dies reiche Majorateinem kränklichen Neffen zu hinterlassen, der schon imSarge gelegen. Graf Frankenstern war von Kindheitan zu Starrkrampf geneigt, und in solchem Zustandeeinmal für todt gehalten worden. Ein rettender Zufallgab ihn dem Leben zurück; doch den tiefen Eindruckjener entsetzlichen Gefahr nahm die Oberflächeder Welt nicht mehr hinweg. Dem edlen Gesichteblieben leichenhafte Züge, ein Grauen vor Allem, wasan das Grab erinnert, wurzelte tief in der Natur diesesErstandenen, und jene bange einsame Ruhe, welchedie Todten umschwebt, wich nie von seiner blassenStirne. –
Von seinem Oheim mit kalter Strenge behandelt,hatte Graf Frankenstern schon zeitig das Weh empfunden,ein aufgedrungener Erbe zu seyn. Kein innigesBand zärtlicher Achtung knüpfte ihn an seineVerwandten, Liebe machte seine dankbare Pflicht nichtfreiwillig: das Schloß zu Bonna war eine Oede desHasses für seinen künftigen Herrn. Als dieser nunauf eine ferne Ritterschule kam, fühlte er sich zumerstenmale gesellig glücklich, und in einem Zusammenhange,der sein Herz erweiterte. Vorzugsweise schloßer sich an einen jungen Edelmann fremder Abkunft,und vielleicht war es weniger manches Gleiche in denäußern Verhältnissen der beiden Jünglinge, als ihreinnerste Verschiedenheit, was diese Freundschaft begründete.
Sylvius de Romana war durch ein seltsames Geschickvon den Küsten seiner Heimath auf den Bodendieses Landes verschlagen worden. Seine Vorfahrenhatten großen Rang und Reichthum in Spanien behauptet,doch den Umschwung ihres zeitlichen Glückeserfahren, und seitdem die schwebende Fortuna auf andernStellen der Erdkugel gesucht. Eine junge verwittweteDame jenes einst glänzenden Namens bewohnteim Gebiet von Valencia ein verfallnes Landhausam Meere. Sie hatte den Gemahl auf einerSeereise verloren, und den letzten schmerzlichen Trost entbehrt, seinen Leichnam gesehen zu haben. SeinEbenbild, ein holder Knabe, war ihr einziges Glück! –Nach einer stürmischen Gewitternacht, in der ein Schiffverunglückt war, fand Donna Romana einen Mannbesinnungslos an einen Balken geklammert, unterTrümmern am Strande. Sein Blut floß aus einerArmwunde, die er im Kampf gegen den Untergangdavon getragen haben mogte, sacht in den glühendenSand. Dieser traurige Anblick regte in der SpanierinnErinnerungen auf, die sie bestimmten, sich desOhnmächtigen anzunehmen. Sie glaubte noch schwacheSpuren des Lebens in ihm zu entdecken. Es warder Kaufmann, den jener Verlust betroffen; doch dieDame dachte nur an ihren eigenen, indem sie ihmHülfe leistete. Sie ließ ihn in das Landhaus tragenund pflegte sein mit samaritischem Geist. Er erkrankteschwer, das Fieber war