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Anmerkungen zur Transkription
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Theodor Fontane
Roman
S. Fischer, Verlag, Berlin
1922
43. bis 46. Auflage
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten
Der Stechlin
Im Norden der Grafschaft Ruppin, hart an der mecklenburgischenGrenze, zieht sich von dem Städtchen Granseebis nach Rheinsberg hin (und noch darüber hinaus) einemehrere Meilen lange Seenkette durch eine menschenarme,nur hie und da mit ein paar alten Dörfern, sonst aber ausschließlichmit Förstereien, Glas- und Teeröfen besetzte Waldung.Einer der Seen, die diese Seenkette bilden, heißt »derStechlin«. Zwischen flachen, nur an einer einzigen Stellesteil und kaiartig ansteigenden Ufern liegt er da, rundumvon alten Buchen eingefaßt, deren Zweige, von ihrer eigenenSchwere nach unten gezogen, den See mit ihrer Spitze berühren.Hie und da wächst ein weniges von Schilf und Binsen auf,aber kein Kahn zieht seine Furchen, kein Vogel singt, und nurselten, daß ein Habicht drüber hinfliegt und seinen Schattenauf die Spiegelfläche wirft. Alles still hier. Und doch, vonZeit zu Zeit wird es an eben dieser Stelle lebendig. Das ist,wenn es weit draußen in der Welt, sei's auf Island, sei's aufJava, zu rollen und zu grollen beginnt oder gar der Aschenregender hawaiischen Vulkane bis weit auf die Südsee hinausgetriebenwird. Dann regt sich's auch hier, und ein Wasserstrahlspringt auf und sinkt wieder in die Tiefe. Das wissenalle, die den Stechlin umwohnen, und wenn sie davon sprechen,so setzen sie wohl auch hinzu: »Das mit dem Wasserstrahl, das[10]ist nur das Kleine, das beinah Alltägliche; wenn's aber draußenwas Großes gibt, wie vor hundert Jahren in Lissabon, dannbrodelts hier nicht bloß und sprudelt und strudelt, dann steigtstatt des Wasserstrahls ein roter Hahn auf und kräht laut indie Lande hinein.«
Das ist der Stechlin, der See Stechlin.
Aber nicht nur der See führt diesen Namen, auch derWald, der ihn umschließt. Und Stechlin heißt ebenso das langgestreckteDorf, das sich, den Windungen des Sees folgend, umseine Südspitze herumzieht. Etwa hundert Häuser und Hüttenbilden hier eine lange, schmale Gasse, die sich nur da, wo einevon Kloster Wutz her heranführende Kastanienallee die Gassedurchschneidet, platzartig erweitert. An eben dieser Stellefindet sich denn auch die ganze Herrlichkeit von Dorf Stechlinzusammen: das Pfarrhaus, die Schule, das Schulzenamt, derKrug, dieser letztere zugleich ein Eck- und Kramladen mit einemkleinen Mohren und einer Girlande von Schwefelfäden inseinem Schaufenst