Peter Voß,
der Millionendieb

Roman

von

Ewald Gerhard Seeliger

16. bis 19. Tausend


Verlag Ullstein & Co, Berlin-Wien

Alle Rechte, insbesondere das der Uebersetzungvorbehalten.—Copyright 1913 by Ullstein & Co

1.

In der Office der Bankfirma Stockes &Yarker in St. Louis war Feierabendgemacht worden. Nur zwei elektrischeLampen brannten noch, und zwar vordem gewaltigen, sechstürigen Geldschrank, der inder Mitte des größten Saales stand.

Jim Stockes, der Inhaber der Firma, und PeterVoß, sein erster Kassierer und Buchhalter, saßendavor und schauten hinein und hatten längst festgestellt,daß die zwei Millionen Dollar, die morgenan Dick Patton, den Baumwollkönig von Missouri,gezahlt werden sollten, nicht darin waren.

„Mr. Stockes, Sie sind ein Dieb!“ sagte PeterVoß mit der größten Gemütsruhe, die ihm als amerikanisiertemHamburger zur Verfügung stand, undstrich sich seinen braunen, halblangen, wohlgepflegtenVollbart. „Sie haben innerhalb zweier Jahre zweiMillionen verspekuliert. Sie haben die grundsolideFirma Stockes & Yarker darum bestohlen. Mansollte Sie von Rechts wegen einsperren!“

Jim Stockes nickte zerknirscht. Er kannte PeterVoßens Sprechweise und nahm keinen Anstoß mehrdaran. Im übrigen hatte er bitter recht.

„Jede Ihrer Spekulationen, vor der ich Siewarnte,“ fuhr Peter Voß unbeirrt fort, „ist mißglückt.Es wird Ihnen nichts übrig bleiben, als dieDepositen anzugreifen.“

„Niemals!“ rief Stockes und hob abwehrend dieHände. „Ich werde morgen Konkurs anmelden undübermorgen eine Chance als Kornumstecher bei denElevatoren suchen. In ein paar Jahren bin ichwieder oben.“

Dabei hatte Mr. Stockes das fünfzigste Jahr bereitshinter sich. Aber er war ein Amerikaner undobendrein ein Junggeselle.

„Mr. Stockes!“ sagte Peter Voß ganz ernst unddämpfte plötzlich seine Stimme. „Sie werdenmorgen nicht Konkurs anmelden.“

„Sie wissen einen Ausweg!“ rief Jim Stockesungläubig. „Ach, es gibt keinen. Es ist ausgeschlossen.Die verdammten Kupferpapiere. Jawenn ich ein paar Monate Aufschub erlangenkönnte. Sie steigen wieder, sie müssen steigen, sonstgeht die ganze Industrie zum Teufel. Aber DickPatton ist ein Dickkopf. Er wird es nicht einsehen.Ich sage Ihnen, lieber Voß, ich bin fertig.“

„Da es keinen Ausweg gibt,“ sprach Peter Voßverschmitzt lächelnd, „müssen wir einen machen.Bitte, schauen Sie in dieses Fach. Was erblickenSie? Vier Pakete zu je fünfhundert Tausend-Dollarnoten,also in Summa zwei Millionen.“

„Damn!“ rief Jim Stockes und stürzte sichdarauf. „Wie ist das möglich!“

„Pst!“ machte Peter Voß und vertrat ihm denWeg. „Bleiben Sie in einiger Entfernung. Eskönnte nämlich sehr leicht der Fall eintreten, daßSie nur den oberen Schein für echt ansehen, und daswäre mir sehr fatal.“

„Ach!“ stöhnte Stockes und sank vernichtet in denStuhl. „Jetzt können Sie noch solche Scherzemachen?“

„Sie müssen nämlich felsenfest davon überzeugtsein,“ fuhr Peter Voß mit seinem ernsthaftesten Gesichtfort, „daß in diesem Schrank wirklich zweiMillionen liegen, eben dieselben, mit denen Siemorgen Dick Patton bezahlen wollen.“

„Ich bin überzeugt!“ seufzte Stockes achselzuckend.

„Und diese zwei Millionen Dollar werde ichIhnen heute nacht stehlen!“ flüsterte Peter Voß mittriumphierender Miene. „Ich, Ihr

...

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