Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des Buches.
Roman
von
Kasimir Edschmid
Verlegt bei Paul Cassirer in Berlin 1920
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1920 by Paul Cassirer, Berlin
Geschrieben Neunzehnhundertvierzehn bis Neunzehnhundertachtzehn
Gruß
an
René Schickele
Nun stiegen sie schon die zweite Stufenreihe hinunter.Immer sahen sie auf der anderen Seitedie schwarzen Schatten, die sich wie sie selbst bewegten.
Die Wasser rauschten langsam. Als sie die dritteTerrasse erreichten, kehrten sie um nach der anderenSeite, die schwarzen Schatten schwenkten und tratenauf sie zu. Da kam aus dem See unten ein silbernerStrahl, er glühte auf, Licht strömte die Neigung derRasenterrasse herauf.
Das Schloß über ihnen schlug eine Mondflammein den Himmel.
Zwei Herren traten zur Seite, die anderen bogenHalbkreise um die Gegner, die die Mäntel abwarfenund in weißen Samthosen, die Brust offen unter demHemd, sich gegenüberstanden. Ein flüsterndes Signalüberklirrte das Metall. Aus dem dunklen Laubgangstöhnte ein Vogel. Ein Mann fiel um, den Säbelin der Gurgel, die Augen nach oben gebrochen.
Der andere warf sich aufs Knie. Schob mit demDaumen die Lider des Liegenden probend herunter, sieschnellten wieder über die gläserne Pupille zurück undhefteten sich auf den Knauf des Degens, der ihn durchdie Kehle auf das Rasenbeet kreuzigte. Da stand derandere auf, schüttelte die Haare. Das war vorbei.
Er sah sich um, empfand atmend die helle Nacht, diemächtig gewölbt war.
„Mein Herr . . .“ sagte der Sekundant des Gegners.Er deutete mit lockerem Handgelenk auf denToten.
Der Marquis neigte den Kopf nach ihm. Wasihn erfüllte, verschwand. Die steife Gebärde des Todeslöschte die Wut des Abenteuers. Er sah auf, die Seelenicht mehr zusammengezogen. Wie schien der Mondfeurig und entflammte purpurrot die Zweige.
„Zaudern Sie nicht“ — flüsterte der Sekundant,„sofort zu begreifen, daß Sie im königlichen Gartensind. Jetzt noch zu leben, heißt nur bedingt und halbein Lebender zu sein.“
Vaudreuil trat mit einer Verbeugung zurück. Einspöttisches Lächeln kniff in seinen abwesenden Mund.Dann kam der Laubengang. Das Dunkel der Nachtsaß darin, unaufgescheucht vom Licht. Die weißen Hermenglommen aus der blauen Dämmerung. Nun paradierteihn die Wache.
Die Rondells mit den Fontänen waren beinahe rot,und die Tritone schäumten vor sich hin. Auf den Seitenverschwammen die Alleen flaumiger Dämmerung. Einequecksilberne Säule stand das Schloß aufgerichtet nebenihm. Zwischen dem Schwung von zwei Koniferenästenzog sich der ganze Garten noch einmal zusammen.Dicht über dem tiefen Wasserspiegel am Ende der gesenktenTerrassen hing riesenhaft der Mond.