Ein junger Mann, Doktor beider Rechte, ohne seinen Beruf auszuüben,elternlos, in behaglichen Umständen lebend, als liebenswürdigerGesellschafter wohl gelitten, stand nun seit mehr als einem Jahre inBeziehungen zu einem Mädchen geringerer Abkunft, das, ohneVerwandtschaft gleich ihm, keinerlei Rücksichten auf die Meinung derWelt zu nehmen genötigt war. Gleich zu Beginn der Bekanntschaft, wenigeraus Güte oder Leidenschaft als aus dem Bedürfnis, sich seines neuenGlückes auf möglichst ungestörte Weise zu erfreuen, hatte Alfred dieGeliebte veranlaßt, ihre Stellung als Korrespondentin in einemansehnlichen Wiener Warenhause aufzugeben. Doch nachdem er sich längereZeit hindurch, von ihrer dankbaren Zärtlichkeit [S. 6]umschmeichelt, imbequemsten Genusse gemeinsamer Freiheit wohler befunden hatte als inirgendeinem früheren Verhältnis, begann er nun allmählich jene ihmwohlbekannte verheißungsvolle Unruhe zu verspüren, wie sie ihm sonst dasnahe Ende einer Liebesbeziehung anzukündigen pflegt, ein Ende, das nurin diesem Falle vorläufig nicht abzusehen schien. Schon sah er sich imGeiste als Schicksalsgenossen eines Jugendfreundes, der, vor Jahren ineine Verbindung ähnlicher Art verstrickt, nun als verdrossenerFamilienvater ein zurückgezogenes und beschränktes Leben zu führengezwungen war; und manche Stunden, die ihm ohne Ahnungen solcher Art ander Seite eines anmutigen und sanften Wesens, wie Elise es war, [S. 7]dasreinste Vergnügen hätten gewähren müssen, begannen ihm Langeweile undPein zu bereiten. Wohl war ihm die Fähigkeit und, was er sich noch höheranrechnen mochte, die Rücksicht eigen, Elise von solchen Stimmungennichts merken zu lassen, immerhin aber hatten sie die Wirkung, ihnwieder öfter die Geselligkeit jener gutbürgerlichen Kreise aufsuchen zulassen, denen er im Laufe des letzten Jahres sich beinahe völligentfremdet hatte. Und als ihm bei Gelegenheit einer Tanzunterhaltungeine vielumworbene junge Dame, die Tochter eines begütertenFabrikbesitzers, mit auffallender Freundlichkeit entgegenkam, und er soplötzlich die leichte Möglichkeit einer Verbindung vor sich sah, dieseiner Stellung und seinem Vermögen [S. 8]angemessen war, begann er jeneandere, die wie ein heiter zwangloses Abenteuer angefangen, als lästigeFessel zu empfinden, die ein junger Mann von seinen Vorzügenunbedenklich abschütteln dürfte. Doch die lächelnde Ruhe, mit der Eliseihn immer wieder empfing, ihre sich stets gleichbleibende Hingabe in denspärlicher werdenden Stunden des Zusammenseins, die ahnungsloseSicherheit, mit der sie ihn aus ihren Armen in eine ihr unbekannte Weltentließ, all dies drängte ihm nicht nur jedesmal das Abschiedswort vonden Lippen, zu dem er sich vorher stets fest entschlossen glaubte,sondern erfüllte ihn mit einer Art von quälendem Mitleid, dessen kaumbewußte Äußerungen einer so herzlich vertrauenden Frau wie [S. 9]Elise nurals neue und innigere Zeichen seiner Neigung erscheinen mußten. Und sokam es dahin, daß Elise sich niemals heißer von ihm angebetet glaubte,als wenn er von einer neuen Begegnung mit Adele, wenn er durchbebt vonder Erinnerung süßfragender Blicke, verhei