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Michael Pullenglobaltraveler5565@yahoo.com
Oberon
Christoph Martin Wieland
Ein romantisches Heldengedicht in zwölf Gesängen (1780)
Inhalt:
* Vorrede * 1. Gesang * 2. Gesang * 3. Gesang * 4. Gesang * 5. Gesang * 6. Gesang * 7. Gesang * 8. Gesang * 9. Gesang * 10. Gesang * 11. Gesang * 12. Gesang * Glossarium A-K * Glossarium L-Z
An den Leser.
Die Romanzen und Ritterbücher, womit Spanien und Frankreich im zwölften,dreyzehnten und vierzehnten Jahrhundert ganz Europa so reichlich versehenhaben, sind, eben so wie die fabelhafte Götter—und Heldengeschichte derMorgenländer und der Griechen, eine Fundgrube von poetischem Stoffe,welche, selbst nach allem was Bojardo, Ariost, Tasso, Allemanni, undandere daraus gezogen haben, noch lange für unerschöpflich angesehenwerden kann.
Ein großer Theil der Materialien zu gegenwärtigem Gedichte, besondersdessen was man in der Kunstsprache die Fabel nennt, ist aus dem altenRitterbuche von Huon de Bordeaux genommen, welches durch einen derBibliotheque Universelle des Romans einverleibten freyen Auszug, aus derFeder des verstorbenen Grafen von Tressan, allgemein bekannt ist. Aberder Oberon, der in diesem alten Ritterromane die Rolle des Deus ex machinaspielt, und der Oberon, der dem gegenwärtigen Gedichte seinen Nahmengegeben, sind zwey sehr verschiedene Wesen. Jener ist eine seltsame Artvon Spuk, ein Mittelding von Mensch und Kobold, der Sohn Julius Cäsars undeiner Fee, der durch eine sonderbare Bezauberung in einen Zwerg verwandeltist; der meinige ist mit dem Oberon, welcher in Chaucers "Merchant's-Tale"und Shakspeares "Midsummer-Night's-Dream" als ein Feen—oder Elfenkönig(King of Fayries) erscheint, eine und eben dieselbe Person; und die Art,wie die Geschichte seines Zwistes mit seiner Gemahlin Titania in dieGeschichte Hüons und Rezia's eingewebt worden, scheint mir (mit Erlaubnißder Kunstrichter) die eigenthümlichste Schönheit des Plans und derKomposizion dieses Gedichtes zu seyn.
In der That ist "Oberon" nicht nur aus zwey, sondern, wenn man es genaunehmen will, aus drey Haupthandlungen zusammen gesetzt: nehmlich, aus demAbenteuer, welches Hüon auf Befehl des Kaisers zu bestehen übernommen, derGeschichte seiner Liebesverbindung mit Rezia, und der Wiederaussöhnung derTitania mit Oberon: aber diese drey Handlungen oder Fabeln sind dergestaltin Einen Hauptknoten verschlungen, daß keine ohne die andere bestehen odereinen glücklichen Ausgang gewinnen konnte. Ohne Oberons Beystand würdeHüon Kaiser Karls Auftrag unmöglich haben ausführen können: ohne seineLiebe zu Rezia, und ohne die Hoffnung, welche Oberon auf die Treue undStandhaftigkeit der beiden Liebenden, als Werkzeugen seiner eignenWiedervereinigung mit Titania, gründete, würde dieser Geisterfürst keineUrsache gehabt haben, einen so innigen Antheil an ihren Schicksalen zunehmen. Aus dieser auf wechselseitige Unentbehrlichkeit gegründetenVerwebung ihres verschiedenen Interesse entsteht eine Art von Einheit, die,meines Erachtens, das Verdienst der Neuheit hat, und deren gute Wirkungder Leser durch seine eigene Theilnehmung an den sämmtlichen handelndenPersonen zu stark fühlt, als daß sie ihm irgend ein Kunstrichterwegdisputieren könnte.
An Se. Durchlaucht den Prinzen
August von Sachsen-Gotha und Altenburg.
Der Grazien schönste weyhet, am Altarder Freundschaft, Bester Prinz, Dir diese Blum