von
Clementine Helm.
(Verfasserin von Backfischchens Leiden und Freuden, Lilli's Jugend &c.)
Leipzig,
Georg Wigand's Verlag
1873.
Das Recht der Uebersetzung ist vorbehalten.
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1. | Esther Wieburg | 1 |
2. | Verwaist | 129 |
3. | Neue Wege | 199 |
»Wie gesagt, Herr Pastor, darin kann ich Ihnen nicht Rechtgeben, das ist keine Erziehung für ein Mädchen! EinenJungen mögen Sie alle diese Dinge lernen lassen, meinetwegen;aber ein Mädchen kann in ihrem ganzen Leben nichts damit anfangen.Das ist meine Meinung, und dabei bleibe ich, sowahr ichFriederike Booland heiße!«
Frau Friederike Booland, die Sprecherin dieser energischenWorte, bekräftigte den Schluß ihrer Rede damit, daß sie ihre große,knochige Hand laut schallend auf den Schreibtisch niederfallen ließ,neben welchem sie stand. An diesem Schreibtische aber saß derjenige,dem ihre Rede galt, Pastor Wieburg, der Geistliche im Dorfe Rahmstedt.Seit Jahren schon lebte Frau Booland hier im Hause, nachdemihr eigener Gatte, der Schulmeister des Dorfes, gestorben, undvon jenem Tage an führte sie die Zügel des Haushaltes mit ebensovielEnergie als Gewissenhaftigkeit. Pastor Wieburg hätte keinebessere Haushälterin finden können und so überließ er ihr getrostalle Regierungssorgen. Nur ein Departement hatte er sich vorbehalten,und das war die Erziehung seines einzigen Kindes, eineskleinen, dunkeläugigen Mädchens. So großen Respect Frau Boolandnun auch vor allen Meinungen und Ansichten ihres Brodherrn[Pg 4]hatte, in diesem Punkte war sie seine stete Gegnerin, und sie scheutesich nicht, dies immer wieder gegen ihn auszusprechen, so wenig Erfolgihre Worte auch haben mochten. Pastor Wieburg hörte ihreReden geduldig an, ohne den Fluß derselben durch Widerspruch zuhemmen, so lange seine Pfeife brannte. War diese jedoch zu Ende,so stand er ruhig von seinem Stuhle auf, ging nach dem Ofen, dieAsche aus der Pfeife zu klopfen, und dann sagte er gleichmüthig:»Schon recht, Frau Booland; aber jetzt möchte ich Ruhe haben, meinePredigt fertig zu arbeiten. Sie sind wohl so gut, und kommen einandermal wieder.«
Frau Booland blieb alsdann freilich nichts übrig, als sich miteinem Knix zu empfehlen. Aber ihr sonst gutmüthiges Gesicht wardann durchaus nicht sonnenhell, und leise vor sich hin brummendging sie die Treppe hinunter, um sie nach einiger Zeit von Neuemzu ersteigen und abermals ihre Vorwürfe anzubringen.
»Er i