MONOGRAPHIEN DES KUNSTGEWERBES
HERAUSGEGEBEN VON
JEAN LOUIS SPONSEL
IV.
VON
HERMANN LÜER
MIT 144 ABBILDUNGEN
DRITTES TAUSEND
VERLAG VON HERMANN SEEMANN NACHFOLGER IN LEIPZIG
Alle Rechte vom Verleger vorbehalten.
Gedruckt bei E. Haberland in Leipzig-R.
Auch bei den grössten Erzgusswerkenfragt heute niemand mehr darnach, weres verstand, den in leicht vergänglichenStoffen ausgeführten Modellen im widerspenstigenMetalle ewige Dauer und damiterst den rechten Wert zu verleihen. Nurdes Meisters Namen kennt man, der imbildsamen Thon oder Wachs das Vorbildschuf.
Die öffentliche Meinung hat sich indiesem Punkte sehr geändert. Noch imJahre 1766 schrieb man die folgenden bezeichnendenWorte[1]: ”Das Modell wirdbloss von Wachs poussiret, und obwohles an sich künstlich seyn kan, so gehöretes doch für den Bildhauer, davonjeder im stande ist, eines zu machen,nicht aber für den Giesser, davon sichnicht ein jeder, am wenigsten in Frankreich,an ein Riesenmässiges Bild wagenwird.“
Diese Aeusserung ist weder richtig,soweit sie Frankreich anbetrifft, noch zeugtsie von hohem künstlerischen Sinne, dochals ein Dokument für die Anschauungsweisejener Zeit ist sie von hoher Bedeutung.Wir können es kaum verstehen,wie es möglich war, dass der Name desBildhauers, der das Modell schuf zu demgewaltigen Reiterbild des Grossen Kurfürstenin Berlin, lange Zeit vergessen war,während der Name des Giessmeisters,dem es gelungen war, das Denkmal inErz zu giessen, in aller Munde war. Wirbegreifen es nicht, wie man den grossenBildner fast leer ausgehen, dem Erzgiessergoldene Ehrenketten verleihen undsein Bild von Staats wegen in Kupferstechen lassen konnte.
Schwer mag es sein, in solchen Fragenvöllig gerecht zu urteilen, unser freierBlick ist gar zu leicht beengt; über dieSchranken, die uns unsere Zeit gezogen,vermögen wir nicht hinwegzusehen. Dochsolche Erfahrungen geben zu denken; auchdas völlige Nichtbeachten eines hervorragendenhandwerklichen Könnens ist ungerechtfertigt.Die schwierigsten technischenAufgaben werden heute spielend gelöst,man würdigt sie nicht mehr. Wir leidenunter einem Specialistentum, und mehrals ein enges uns zugewiesenes Gebietdes Könnens und Wissens vermögen wirkaum noch zu begreifen und zu beurteilen.Noch vor wenigen Jahrhunderten war dasanders, gerade auch auf dem Gebiete derKunst; der Künstler war in höheremMasse wie heutzutage auch Handwerkerund der Handwerker mehr Künstler. Undfür das Gebiet der hier zu betrachtendenMetallplastik lässt sich zum wenigsten[2]bis ins 17. Jahrhundert nachweisen, dasszumeist die erfindenden Meister auch dieAusführung ihrer Werke in Bronzegusstechnisch leiteten. Ein ungerecht einseitigesUrteil über solche Schöpfungenwar schon aus dem Grunde in früherenJahrhunderten kaum möglich.
Um der altehrwürdigen Kunstgiessereiwieder zu dem Ansehen zu verhelfen, dasihr zweifellos gebührt, möge sie in ihrertechnischen Entwicklung, so weit siezurückzuverfolgen ist, mit bevorzugterBerücksichtigung der letzten Jahrhunderte,ein wenig eingehender behandelt werden.
Nur wie bei der Herstellung der bedeutsamsten,d. h. besonders bei