Gedanken über Religion

von

George John Romanes.

Die religiöse Entwicklung eines Naturforschers vomAtheismus zum Christentum.

Autorisierte Übersetzung nach der 7. Auflage des englischen Originals

von

Dr. phil. E. Dennert.

Göttingen

Vandenhoeck und Ruprecht

1899.

[S. i]

Vorwort des Uebersetzers.

In dem Verhältnis der Naturforscher zur Religion ist inden letzten Jahrzehnten eine merkwürdige Wendung vor sichgegangen. Bekanntlich herrschte in den fünfziger und sechszigerJahren eine kraß materialistische Strömung, welche inDeutschland von Männern wie Vogt und Moleschott angebahntwar. Die namhaften Naturforscher blieben jedoch vonihr unberührt, sie hatten fast alle eine religions- und christentumsfreundlicheStellung. Als aber in den siebenziger Jahrendie Lehre Darwins mehr und mehr Eingang fand und Haeckelseinen Monismus predigte, änderte sich das Verhältnis, unddie Stellung der in den beiden folgenden Jahrzehnten, wieauch noch in dem laufenden maßgebenden Naturforscher zurReligion wurde eine zum mindesten gleichgiltige. Die Naturwissenschaftund die induktive Methode steht bei den meistendieser Männer so sehr im Mittelpunkt des Denkens und desLebens, daß alles andere, was sonst ein Menschenleben erfülltund ausmacht, bei ihnen weit zurücktritt.

Wenn manche dieser Forscher nach ihrem religiösen Standpunktgefragt werden, so erklären sie sich für „Agnostiker“,sie wissen nichts von religiösen Fragen oder überhaupt vonFragen, die jenseits des naturwissenschaftlichen Gebiets auftauchen.Dieses Wort wurde jedoch von vielen in dem Sinngebraucht, daß man jenseits der natürlichen Kausalität überhauptnichts wissen, keine Gewißheit je erlangen könne.Eine große Reihe von Naturforschern stand, wenn sie nichtgeradezu glaubensfeindlich waren, vor 10-20 Jahren so. Zu erklärenist diese Erscheinung sicherlich durch den Einfluß der gewaltigen[S. ii]Entwicklung der Naturwissenschaft überhaupt und desDarwinismus im speziellen: es gab viele, denen erschien allesErforschte als unantastbare Wahrheit, und die Zeit schienihnen nicht fern, in der die ganze Natur, auch alles Lebenund Werden, für den Forscher völlig klar und durchsichtigsein würde; bei solchen Gedanken mußte eine Verkennung desWertes der naturwissenschaftlichen Methode nur zu nahe liegen,sie erschien daher vielen als der einzig mögliche Weg zur Erkenntnisder Wahrheit.

Allein es ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in denHimmel wachsen, das kann man auch auf diesem Gebiete sagen:allmählich trat vor allem in Bezug auf den Darwinismuseine Ernüchterung ein, im eignen Lager wurde an dem vermeintlichunzerstörbaren Bollwerk gerüttelt, und da seine Festigkeiteine eingebildete war, so konnte nicht ausbleiben, daß esum so schneller fiel, bezw. fällt. Dieser Zerbröckelungsprozeßsetzt sich noch weiter fort, aber es ist nicht anzunehmen, daßabgesehen von einigen „Alten“, die sich noch um Haeckel und Weismannscharen, echte Darwinianer ihren Einzug in das neue Jahrhunderthalten werden. Das ist aber nicht ohne Einfluß auf diephilosophischen und religiösen Anschauungen der Naturforschergeblieben. Zwar wird sich das alte Verhältnis, d. h. einÜberwiegen der religiös und christlich gerichteten Forscher, soschnell noch nicht wieder herstellen — kommen wird es ganzsicher wieder —; aber eine Anbahnung ist schon heute garnicht zu verkennen. Diese äußert sich zunächst in einer vielfreundlicheren Stellung zu religiösen Fragen und

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