Ein Lehr- und Lesebuch
für gute Kinder.
von
Amalia Schoppe,
geborne Weise.
Heidelberg.
Verlagshandlung von Joseph Engelmann.
1843.
Hoffentlich, meine Geliebten, erzeuge ich Eucheinen Gefallen mit diesem neuen Robinson; einmal,weil mir fortwährend von vielen lieben Kinderndie Versicherung gegeben wird, daß sie meineJugendschriften gerne lesen; dann aber auch, weilder Titel viel Lockendes für Euch haben wird,indem gewiß Euer junges Herz bei dem NamenRobinson höher schlägt. Ihr werdet also diesesneue Buch Eurer Freundin mit gespannter Erwartungin die Hände nehmen und Euch hoffentlichnicht in derselben getäuscht sehen.
Mein Zweck war, als ich diesen neuen Robinsonverfaßte, und in ihm die Schicksale eineszwar armen, aber sinnigen und wackern Knabenmittheilte, Euch zugleich mit einem Welttheile bekanntzu machen, von dem selbst viele gebildeteErwachsene noch wenig wissen: Ihr sollt Australien,den zuletzt entdeckten, nur noch mangelhafterforschten Welttheil, in seinem Clima, seinemBoden und Pflanzen- und Thierreiche näher kennen lernen; und somit bitte ich Euch, mein Buch nichtbloß zur flüchtigen Unterhaltung, gleichsam umdie Zeit, unser Kostbarstes zu tödten, in die Handzu nehmen, sondern zugleich auch Belehrung, BereicherungEures Wissens, daraus zu schöpfen.Daß der Robinson Euch nebenbei auf eine angenehmeWeise unterhalten soll, glaube ich Euchversprechen zu dürfen.
Zu dem doppelten Zwecke: zu bilden, zubelehren und Euch frohe Stunden zu bereiten,schrieb ich bisher alle meine Bücher, undda Euch die frühern immer willkommen waren,hoffe ich, wird es auch dieses sein.
Ich grüße Euch sämmtlich mit dem Grußeinniger Liebe. Nicht mehr in dem großen, prächtigenHamburg, nicht zwischen den Trümmerhaufendieser mir ewig theuren Stadt, sondern in Jena,dem freundlichen Orte zwischen den Bergen, diedas reizende Saalthal rings wie ein Rahmen umfassen,schrieb ich den Robinson für Euch.
Der Geber alles Guten sei mit Euch Allen,meine geliebten Kinder.
Jena, im October 1842.
Eure treugesinnte
Amalia.
Viele von Euch, meine geliebten Kinder, werden schoneinmal von der großen Handelsstadt Hamburg gehört haben.Sie liegt an einem herrlichen Flusse, der Elbe, diehier schon eine Meile breit und ihrem Einflusse in die nurzwölf Meilen von Hamburg entfernte Nordsee nahe ist.
In dieser großen Welt- und Handelsstadt giebt es vieleprächtige Paläste, dagegen aber auch eine Menge enger Gassenund kleiner Häuser; ja, ein Theil der Bevölkerung wohntsogar unter der Erde in sogenannten Kellern, trüben, feuchtenWohnungen, in die das goldene Tageslicht nur spärlichfällt, weßhalb auch die Bewohner derselben in der Regelbleich und kränklich aussehen. Denn eben die Sonne,welche den duftigen Kelch der Rose färbt, färbt auch dieWangen der Menschen.
In einem dieser Keller wohnte eine arme Wittwe mitihrem einzigen Kinde, einem Sohne von etwa zwölf bisdreizehn Jahren. S