Meine
Lebens-Erinnerungen.

Ein Nachlaß
von
Adam Oehlenschläger.

Deutsche Originalausgabe.

Vierter Band.

Leipzig
Verlag von Carl B. Lorck.
1850.


Vorbemerkung.

Nur wenige Worte erlaube ich mir diesem vierten undletzten Bande der Erinnerungen vorauszuschicken.

Das eigene Manuscript des Verfassers endigt mit demAnfang der Reise im Jahre 1844, Seite 151. Bei der Darstellungseiner spätern Lebensereignisse habe ich diejenigenseiner Briefe benutzt, die in meinem Besitze waren, undAuszüge aus denselben gemacht, je nachdem sie mir passendschienen. In diesen Briefen spiegelt sich seine Individualitätso klar und lebendig in den verschiedensten Lebensverhältnissenab, daß der Leser aus denselben ein weit besseres Bild vonihm erhalten wird, als eine noch so treue Erzählung, selbstwenn mir eine solche glücken könnte, zu geben vermöchte.Die Auszüge enthalten hauptsächlich, was das eigene Lebendes Dichters, seine Urtheile und Ansichten über wichtigeZeitverhältnisse und Begebenheiten, Persönlichkeiten, Kunstwerkeu. dgl. betrifft. Sollte man auch finden, daß einzelnekleine Züge hätten weggelassen werden können, so muß ichdazu bemerken, daß ich es für meine Pflicht hielt, michnicht so sehr von Privatrücksichten leiten zu lassen, und daßich dies und jenes beibehalten habe, was, wenngleich für dieGegenwart von wenigerem Interesse, einem kommenden Geschlechtevon Nutzen sein und Aufklärungen geben kann, dieman möglicherweise sonst vermissen würde.

Kopenhagen, im März 1851.

Johannes Oehlenschläger.


[5]

Literarische Fehde.

Ich hätte noch auf ein Jahr mit Bertouch leicht und angenehmnach Italien reisen können; aber das Heimweh, das michvor neun Jahren in Rom ergriff, und mich verhinderte, Neapelzu sehen, ergriff mich nun wieder, und verhinderte mich Romnoch einmal zu sehen. Obgleich ich gewissermaßen durch einenfreiwilligen Ostracismus aus meinem Vaterlande geflohen war,um den Haß meiner Feinde zu dämpfen, und ich gewiß kluggethan hätte, noch länger fortzubleiben, so konnte ich es dochnicht; ich sehnte mich nach meinem Hause, meinen Kindern;ich konnte nicht länger ohne sie sein. Ich schlug deßhalb HerrnHjort (jetzt Professor in Sorde) vor, an meiner Statt zu reisen,und da er und Bertouch damit zufrieden waren, zog ich dashäusliche Glück im Kreise meiner Lieben vor; aber es zog wiedervon mehreren Seiten ein Ungewitter am Horizonte meinesGlückes auf.

Baggesen hatte, während ich fort war, ein Singspiel, dieZauberharfe, geschrieben, welche Kuhlau componirte. Aus„Holger Danske“ und „Erik dem Guten“ hatte man bereits gesehen,wie wenig er sich zu dramatischer Dichtung eignete; nun daer „Ludlam's Höhle“ und „die Räuberburg“ als die elendesten Pfuscherarbeitenheruntergerissen hatte, verlangte man natürlich mehrvon ihm, und es wurde doch noch weniger. Und hierzu kamnoch das Gerücht, daß das Stück nicht Original von ihm sei,sondern daß er es nach einem ihm von einem Andern anvertrautenManuscripte umgearbeitet habe. Baggesen bewies juridischsein Recht an dem Stücke; und wenn man es ihm ästethisch[6]absprechen wollte, so konnte dies meiner Ansicht nach nur geschehen,weil es zu mittelmäßig war. Da er nun mehrere Jahrehindurch fast ausschließlich meine dramatis

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