Mene tekel!Mene tekel!

Eine Entdeckungsreise nach Europa.

Von
Arnold v. d. Passer.

Erfurt und Leipzig.
Bacmeister’s Verlag.
1893.

Alle Rechte vorbehalten.

Der Verfasser.

Buchdruckerei Albert Limbach, Braunschweig.

Vorwort.

Das Buch des genialen Amerikaners Bellamy,welches den socialistischen Zukunftsstaat im günstigstenLichte schildert, hat zahlreiche Schriften zu Tagegefördert, die den entgegengesetzten Zweck verfolgen,nämlich den Socialstaat mit den düstersten Farbenauszumalen und auf diese Weise Stimmung gegendie Socialdemokratie zu machen.

Bellamy sowohl als seine Gegner gehen indessenvon dem nämlichen Punkte aus. Sie nehmen sämmtlichan, daß über kurz oder lang ein Moment eintretenwerde, in welchem die capitalistische Gesellschaft ausgewirthschaftethaben und von der socialistischen abgelöstwerden wird. Der Unterschied ist nur der, daßbei Bellamy das Experiment günstig, bei seinen Widersachernaber höchst unglücklich ausfällt.

Die eifrigsten Gegner der Socialdemokratie scheinendemnach selbst der Ansicht zu leben, daß die capitalistischeGesellschaft eines Tages am Abschluß ihrerLaufbahn angelangt sein werde, allerdings nur vorübergehend,um alsdann neu verjüngt aus der Asche desSocialstaates emporzusteigen — und ihr Spiel vonNeuem zu beginnen; diesmal natürlich nicht mehrgenirt von den praktisch ad absurdum geführtenBestrebungen der Socialdemokratie. Die Letztere wird,so hoffen sie, sich selbst vernichten und der ungestörtencapitalistischen Entwicklung werde nichts mehr imWege stehen.

Was hindert uns aber anzunehmen, daß dieservon den Gegnern der Socialdemokratie gewiß als sehrwünschenswerth angesehene Zustand einer gänzlichungehinderten capitalistischen Wirthschaft schon frühereintrete, nicht herbeigeführt durch die Socialdemokratieselbst, sondern durch die mit Erfolg gekrönten Bestrebungenaller Jener, welche sie jetzt mit ihrerglühenden Feindschaft beehren und sie lieber heute alsmorgen gänzlich vernichten würden?

Nehmen wir einmal an, der Einfluß und die Beredsamkeitdes Herrn Eugen Richter sei wirklich sogroß, daß vor dem Runzeln seiner Brauen die Socialdemokratiein Staub zerfallen werde. Dann wird esselbstverständlich in jenem Momente, den Bellamyund selbst seine Gegner prophezeien, keine Socialistengeben und was alsdann eintritt — das soll eben meinBuch schildern!

Vielleicht trägt es dazu bei, auch Anderen dieUeberzeugung beizubringen, die sich mir schon längstaufgedrängt hat, daß nämlich diejenigen, welche, wieHerr Eugen Richter, die Socialdemokratie bis aufsMesser bekämpft wissen möchten, weitaus staatsgefährlicher,als die ungestümsten Socialisten und

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