Der Jesuit.


Charakter-Gemälde

aus dem

Ersten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts

von

C. Spindler.


Amerikanische Stereotyp-Ausgabe.


Philadelphia.

Verlag von F. W. Thomas.

1855.

Printed by T. K. & P. G. Collins

[S. 3]Der Jesuit.

Erster Theil.

Erster Abschnitt.

1720.

Des Senators Familienleben. — Sein Comptoir und dessen Diener. — James. — Fortuna'sLaunen. — Der Geschäftsfreund aus Holland. — Das Gespräch unter den Kastanienbäumen.— Der verhängnißvolle Besuch.

Schön ist es, über eine Schwelle zu schreiten, jenseits welcher der Fleißund die geschäftige Betriebsamkeit ihren Thron erbaut haben, sobald mansieht, daß all das ewige Treiben das Wohlsein des Lebens begründen soll,und nicht blos einen glatten Gypsmarmor um die trockne, dürre Säulevon Holz. Der Hausvater ist ein ehrwürdiger, geliebter Mann, wendet erseiner unermüdlichen Thätigkeit Zinsen dazu an, daß die Seinen sich fröhlichdaheim finden in dem traulichen Hause; — daß er selbst, — der Schöpferdes Wohlstandes — behaglich ruhe in seinem Eigenthume. Die heitere Wohnungwird ein Paradies für den Besitzer, ein Ort des Friedens den Freunden,den Bedrängten ein Asyl. Keucht aber im Erdgeschosse die besoldeteMühe im eisernen Dienstjoche, während im obern Stockwerke die Langeweile,die Verdrossenheit, auf einsamen Polstern, hinter kaltem Stein undvornehmen Goldwänden gähnt, — dann, Wanderer, meide die stolze Pforte,wenn auch noch so einladend das »Salve« von ihrer Schwelle spricht. Indem Steinhaufen gebietet kein fühlendes Gemüth, und vor dem starrenReichthum floh die Zufriedenheit! — Wer im Jahre 1720 gelebt, und dasInnere des Hauses gesehen hätte, welches der Senator Müssinger in derdeutschen Reichs- und Handelsstadt, die der Aufzeichner dieser Begebenheitenmeint, aber nicht nennt, dazumal bewohnte, müßte dem einleitendenSpruche Beifall geben. Das stattliche Gebäude war von Uranbeginn zumDenkmale des Hochmuths bestimmt gewesen. Ein Spekulant, der in denersten Jahren des spanischen Erbfolgekriegs durch Lieferungen für die alliirtenHeere ungeheure Summen gewonnen hatte, legte das Fundament zudem pallastähnlichen Hause. Die Vollendung desselben sollte er nicht sehen.Mancher Schurkereien überwiesen, sollte ihm, kurze Zeit nach der Schlachtbei Hochstädt, der Prozeß gemacht werden: er entging der Schande jedochdurch einen kühnen Pistolenschuß. Die leere, unausgebaute Prachtwohnungdes verunglückten Lieferanten kaufte bald der vom Glücke begünstigte SenatorMüssinger. Der unternehmende Handelsherr, der mit Ost- undWestindien verkehrte, fand sich zu enge in dem kleinen Vaterhause, zog überin das Neue, Große; und Fortuna, die bereitwillig in dem bescheidenenSpezereikrame des Kaufmanns Platz genommen hatte, siedelte mit in dasneue, geräumige Comptoir. Müssingers Firma war die Erste auf demMarkte, und florirte weit und breit im Aus- wie im Inlande; trieb Jahrfür Jahr die schönsten Blüthen und Früchte. Die Mehrzahl seiner Mitbürgerbeneidete den glücklichen Senator; sie bewies aber durch diesen Neid[S. 4]— entweder ihre Unbekanntschaft mit Müssingers anderweitigen Verhältniss

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