Anmerkungen zur Transkription:

Schreibweise und Interpunktion wurden bis auf wenige Druckfehlerbeibehalten.Eine Liste der vorgenommenen Änderungenbefindet sich am Ende des Textes.

Die Großbuchstaben I und J werden im Original nicht unterschieden.

Im Original gesperrt gedruckter Text wird hierkursiv dargestellt.Antiqua wird ohne Serifen wiedergegeben.

Goethes Briefe
an
Auguste zu Stolberg

Inselschiff


Im Insel-Verlag zu Leipzig

Einleitung des Herausgebers

»Der Liebe Sehnsucht fordert Gegenwart.« — Goethe, mitjedem Pulsschlage seiner Empfindung nach greifbarer Gegenständlichkeit,nach sinnenfälliger Wirklichkeit drängend, istzu versichern nicht müde geworden, daß persönliche Bekanntschafterforderlich sei, »das Siegel eigentlich auf jedes wahresittliche Verhältnis zu drücken.« Doch auch er hat einmalgeglaubt, mit Augen der Sehnsucht den fernenden Nebeldurchdringen zu können, der ihm ein leiblich nie geschautesAntlitz verbarg, mit Armen der Freundschaft hinüberreichenzu können über eine Kluft, die keine unmittelbare Begegnungüberbrückte. In jener bedeutsamen Zeit deutscher Geistesentwicklungist das gewesen, da unsere Literatur, wiedergeborenaus dem Schoße frisch erwachten Naturgefühles,aufbrausend im »Sturm und Drang« erneuerter Jugendfülle,alle suchenden Seelen in gleichen Bann schlug, daGoethe, der diese neue Literatur mitgeschaffen, jung wie sie,voll leidenschaftlichen Verlangens, einstimmende Herzen vonNähen und Weiten forderte.

»Sturm und Drang« — an dem ergreifendsten Erzeugnisdieser aufgewühlten Epoche, an den »Leiden des jungenWerthers« hatte sich Auguste Luise Gräfin zu Stolberg-Stolbergentzündet, als sie im Januar 1775 an den ihr fremdenDichter den ersten Brief richtete. Geboren am 7. Januar1753, Sprößling eines uralten niederdeutschen Geschlechtes,lebte sie »still und bewegt« ein unscheinbares reiches Leben;das südliche Holstein, die dänische Insel Seeland, die Niederungender Elbmündung sind mit ihrem Wechsel von Wieseund Buchenwald, von Moor und Ackerfläche, von schäumender Meeresbrandung und kosendem Landsee der begränzteSchauplatz dieses weiten Daseins gewesen. Gustchens Vater,Graf Christian Günther, war seit 1756 Hofmarschall derKönigin-Witwe Sophia Magdalena in Kopenhagen; als er1765 starb, hatte er jedes seiner zahlreichen Kinder für alleFolgezeit gefestigt in dem ihm eigenen Sinne lauterer Frömmigkeitund frohen Bekennermutes. Die Mutter (gest. 1773),eine harmonische Natur, den »schönen Seelen« des Pietismusverwandt, mit regsamer Empfindung und Kraft derPhantasie begabt, ward den Ihren gemütvolle Erweckerineiner entschiedenen Neigung und Fähigkeit zur Dichtkunst,und dieser allgemeine poetische Geist vertiefte und verklärtesich an Wesen und Werk des Messias-Dichters Klopstock,der, 1751 nach Dänemark berufen, in vertrautester Freundschaftzur Familie stand. Klopstock ist der Leitstern geblieben,nach dem die Stolberge ihr Leben und Dichten gerichtet haben;nach seinem Muster hat Gustchens ältere Schwester Katharinaihr biblisches Drama »Moses« verfaßt. Und auch BruderFriedrich Leopold, dessen schöner ausdauernder Enthusiasmussich die Liebe jugendlicher Mitstrebe

...

BU KİTABI OKUMAK İÇİN ÜYE OLUN VEYA GİRİŞ YAPIN!


Sitemize Üyelik ÜCRETSİZDİR!