Im Jahr 1829.
Tagebuch meiner Reisen.
Reise
ins
heilige Land.
Im Jahr 1829.
Von
A. Prokesch Ritter von Osten,
k. k. Major.
Wien.
Gedruckt und im Verlage bei Carl Gerold.
1831.
»Sie werden vergehen, aber du wirst bleiben. Sie werdenalle veralten wie ein Gewand; sie werden gewechseltwerden wie ein Kleid, wenn du sie wechselnwirst.«
Psalm CII. 27.
Die Oberfläche der Erde ist ein aufgeschlagenesBuch. Viele Blätter sind noch weiß gelassen, vielebeschrieben, bald mit mehr, bald mit weniger ansprechenderGeschichte, bald mit Hymnen und Klagen,bald mit Wissen und Kunst. Manche aus diesen wurdenes mehrmals, und dennoch überschlägt man siegerne; andere fesseln den Blick in Bewunderung, inStaunen und Ehrfurcht, und ihr uralter Text brichtunvergänglich durch die Überlage der späteren Jahrhunderte.Zu diesen letzten Blättern gehören dieLandstriche zwischen dem Euphrat und dem Mittelmeere,zwischen dem blühenden Syrien und dem wüstenArabien, die man unter dem Namen des heiligenLandes zusammen zu fassen gewohnt ist.
Diese Bezeichnung kommt von den Juden, in soferne sie dies Land als das vorzugsweise von demGotte, den sie anbeten, sich und ihnen erwählte betrachten;sie gilt den Christen, in so ferne sie Söhnedes Judenthumes sind, und hauptsächlich, weil indiesem Lande, wie auf einem großen Altar, das Opferihres Heilandes vollbracht wurde. Im Buche vonder Weisheit Salomons (XII. 3.), so wie in demder Makkabäer (II. I. 7.) ist der Ausdruck »heiliges[S. 6]Lands« schon zu finden. In jeder der alten Religionenwaren gewisse Landstrecken für heilig erklärt.
Älter als diese Bezeichnung ist für das Land, vondem wir sprechen, die kürzere: das Land. »Zu derZeit, da die Richter regierten, war Theurung imLande,« sagt das Buch Ruth (I. 1.) und bezeichnetes nicht weiter. So ruft Jeremias aus: »Land,Land, Land, höre das Wort des Herrn!« (XXII.29.) — »Meine Seele hört der Posaunen Schall,und die Feldschlacht, und das Geheul des Mordes,denn Verheerung kommt über das Land.« (IV. 20.)
Das Land Israel, das gelobte Land sindgleichfalls ältere Bezeichnungen, die denselben Raumumfassen, wie die früher genannten. Die BücherSamuels und der Könige geben hiezu viele Belege.Der Samaritanische Text bezeichnet diesen Umfangklar: »Und der Herr zeigte ihm das ganze Land vomFlusse Ägyptens bis zum großen Flusse, dem FlusseEuphrat, und bis an das äußerste Meer; und derHerr sprach zu ihm: dieß ist das Land, das ich Abraham,Isaak und Jakob geschworen habe....« (V.Mos. 34.) Und: »Alle Orte, darauf eure Fußsohletritt, sollen euer seyn; von der Wüste an und vondem Berge Libanon und von dem Flusse Phrat bisa