AUSSENSEITER DER GESELLSCHAFT
– DIE VERBRECHEN DER GEGENWART –
AUSSENSEITER
DER GESELLSCHAFT
– DIE VERBRECHEN DER GEGENWART –
HERAUSGEGEBEN VON
RUDOLF LEONHARD
BAND 1
VERLAG DIE SCHMIEDE
BERLIN
VON
ALFRED DÖBLIN
VERLAG DIE SCHMIEDE
BERLIN
EINBANDENTWURF
GEORG SALTER
BERLIN
Copyright 1924 by Verlag Die Schmiede Berlin
Die hübsche blonde Elli Link kam 1918 nachBerlin. Sie war 19 Jahre alt. Vorher hatte siein Braunschweig, wo ihre Eltern Tischlersleutewaren, angefangen zu frisieren. Es passierteihr ein kleiner Bubenstreich: sie nahm einerKundin fünf Mark aus dem Portemonnaie.Ging dann auf einige Wochen in eine Munitionsfabrik,lernte in Wriezen aus. War leichtund lebenslustig; es heißt, daß sie in Wriezennicht asketisch lebte und Sinn für Kneipgelagehatte.
Sie kam nach Berlin-Friedrichsfelde. DerFriseur, bei dem sie arbeitete, fand sie fleißig,ehrlich, von sehr gutem Charakter. Er behieltsie bis zu ihrer Verheiratung, ein einviertelJahr. Daß sie lebenslustig war, entgingihm auch nicht. Bei den Ausgängen miteiner ihrer Kundinnen begegnete sie November19 dem jungen Tischler Link.
* * *
Elli hatte eine besondere, wenn auch nichtseltene Art. Sie war harmlos frisch, von derMunterkeit eines Kanarienvogels, wie ein Kindlustig. Männer anzulocken, machte ihr Vergnügen.Vielleicht gab sie sich dem und jenemhin: das war Neugierde, Freude, denanderen, das Männchen zu beobachten, dannkameradschaftliches Herumbalgen, das Spaßmachte. Sie wunderte sich und fand es lustig,aber komisch, wie wichtig die Männer dasnahmen, wie sie sich aufregten. Sie liefen an,man quirlte sie herum, schickte sie weg. Dakam dieser junge Tischler Link.
Er war ernst und beharrlich. Er redete vonpolitischen Dingen, die sie nicht verstand, warleidenschaftlicher Kommunist. Er hängte sichan sie. Sie hatte solchen blonden Wuschelkopf,gesunde volle Backen, blickte so vergnügtin die Welt. Sie konnte so übermütigsein, daß ihm das Herz aufging. Er wolltesie zur Frau. Die wollte er neben sich haben.
Das war ihr gar nicht komisch. Link fielaus dem Rahmen der Männer, die sie sonstkannte. Er hatte den Beruf ihres Vaters; siekannte die Arbeitsdinge, von denen er erzählte.Das beschränkte sie etwas in ihrer Art sich zugeben. Sie konnte nicht mit ihm umspringenwie mit den anderen Männern. Es ehrte undbeglückte sie, daß dieser Mann um sie warb;sie war in ihrem Familienniveau. Aber siemußte sich auch ändern; e