Zwei Erzählungen
von
Hermann Hesse
S. Fischer, Verlag, Berlin
Alle Rechte vorbehalten, besonders das der Übersetzung.
Gedruckt während der Kriegszeit auf Papier mit Holzschliffzusatz.
Copyright 1917 S. Fischer, Verlag, Berlin.
Schön ist das Leben bei frohen Zeiten,
Schön ist die Jugend, sie kommt nicht mehr,
Drum sag ich’s noch einmal,
Schön sind die Jugendjahr’,
Schön ist die Jugend,
Sie kommt nicht mehr.
Volkslied
Es war in der Mitte der neunziger Jahre und ichtat damals Volontärdienst in einer kleinen Fabrikmeiner Vaterstadt, die ich noch im selben Jahre fürimmer verließ. Zufällig ist die Zeit jenes Spätsommersund Frühherbstes in meinem Gedächtnisnoch frisch und sichtbar geblieben. Darum will icheiniges davon aufschreiben, denn ich komme in dasAlter, wo man die Vergangenheit liebhaben lernt undwo die Gegenwart mit müderen und gleichgültigerenSchritten geht.
Ich war etwa achtzehn Jahre alt und wußte nichtsdavon, wie schön meine Jugend sei, obwohl ich sietäglich genoß und um mich her fühlte wie der Vogeldie Luft. Ältere Leute, die sich der Jahrgänge imeinzelnen nimmer besinnen mögen, brauche ich nurdaran zu erinnern, daß in dem Jahre, von dem icherzähle, unsere Gegend von einem Zyklon oder Wettersturmheimgesucht wurde, dessengleichen in unsermLande weder vorher noch später gesehen worden ist.In jenem Jahre ist es gewesen.
Ich hatte mir vor zwei oder drei Tagen einen Stahlmeißelin die linke Hand gehauen. Sie hatte ein Lochund war geschwollen, ich mußte sie verbunden tragenund durfte nicht in die Werkstatt gehen. Die unvermutetenFerien gefielen mir wohl; das Knabenalterbestand damals noch fast unzerstört in meiner Seele,obwohl es nahe am Verblühen war und mir balddarauf plötzlich aus den Händen schwand.
Es ist mir erinnerlich, daß jenen ganzen Spätsommerhindurch unser enges Tal in einer unerhörtenSchwüle lag und daß zuweilen tagelang einGewitter dem andern folgte. Es war eine heiße Unruhein der Natur gewesen, von welcher ich freilichnur dumpf und unbewußt berührt wurde und derenich mich doch noch in Kleinigkeiten entsinne. Abendszum Beispiel, wenn ich zum Angeln ging, fand ichvon der wetterschwülen Luft die Fische seltsam aufgeregt,sie drängten unordentlich durcheinander,schlugen häufig aus dem lauen Wasser empor undgingen blindlings an die Angel. Nun wa