Ein
kleines Kind.


Weihnachts-Novelle
von
Carl Wartenburg.

Der Dienst der Freiheit ist ein schwerer Dienst,
Er bringt nicht Gold, er bringt nicht Fürstengunst;
Er bringt Verbannung, Kerker, Schmach und Tod –
Und doch ist dieser Dienst der höchste Dienst,
Dem sich die Edelsten des Volkes weihen!
L. Uhland.

Wien, 1864.
Verlag von Carl Schönewerk.

Meinem einzigen, geliebten Kinde
Helene
geb. 17. August 1855, gest. 17. August 1861.

1. Auf der Flucht.

Noch wenige Schritte und das deutsche Land laghinter ihnen ... Die Flüchtlinge holten still stehendAthem, ihre Blicke noch einmal zurückwendend zur altenHeimath. Es waren drei Personen, ein Mann, einjunges Weib und ein kleines Kind, das im Arme desVaters lag, mit sanft gerötheten Wangen den süßenSchlaf der Kindheit schlummernd, nicht ahnend, daß esin diesem Augenblicke das Vaterland verlor. EineThräne flimmerte in den Augen des jungen Mannes.»Lebe wohl, mein Heimathland ... mein liebes, theuresdeutsches Land ... Ich verlasse dich, gejagt wieein Thier des Waldes von der Meute, die nach meinemBlute dürstet. Lebe wohl und vergieb mir, daß ich dich zu sehr geliebt ... Gott segne dich, mein deutschesLand ...« Schmerz und Wehmuth erstickten seineStimme, er verbarg sein Gesicht in dem Lockenköpfchendes Kindes und weinte bitterlich.

Die junge Frau an seiner Seite blickte düster undstumm hinüber nach der deutschen Grenze ... Auchin ihren großen dunklen Augen funkelte eine Thräne,aber es war keine Zähre des Schmerzes und der Wehmuth,wie bei ihrem Gatten ...

Zorn, Stolz, Verachtung sprühten ihre Blicke,und die Lippen des fein geformten Mundes waren festaneinander geklemmt, als fürchte sie, daß ihr widerihren Willen ein Laut der Klage entschlüpfen könne ...

So standen sie eine lange Weile, stumm undfast regungslos, ein Jedes die Beute stürmisch fluthenderGefühle ...

Endlich richtete der Mann sein Haupt empor,strich das blonde Haar, das ihm wirr um die Stirnefiel, mit einer lebhaften Geberde zurück und streckteseiner Gattin die mit einem Verbande umhüllte Rechteentgegen: »Laß uns weiter wandern, Fanny,« sprach er mit gefaßter Stimme, »hinein in die unbekannteFremde, in die weite Welt, in die ich aus dem altenVaterlande Nichts weiter mit hinüber nehme, als dieFreiheit und das Bewußtsein, für unsere Ueberzeugunggestritten und gelitten zu haben.« Sie antwortete ihmmit einem seltsamen Blicke und wendete sich zum Weitergehen,ohne die dargereichte Rechte ihres Gatten zuergreifen ...

Da raschelte es in den Büschen, welche an demUfer des Baches standen, der hier die Grenze zwischendem deutschen und dem französischem Lande bildet.Gewehrläufe und Helme blinkten in den Strahlen deruntergehenden Augustsonne und eine Gendarmeriepatrouillestreckte den Flüchtlingen mit dem Zuruf:»Halt! ... Wer da?« ihre Bajonnete entgegen.

Die Flüchtlinge standen still, doch schon im nächstenAugenblicke hatte sich der junge Mann gefaßt undentschlossen antwortete er: »Laßt mich ruhig meinesWeges ziehen ... Was kümmert's Euch, wer ich bin,wer giebt Euch das Recht, hier auf diesem Grund undBoden mich anzuh

...

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