Leipzig
Kurt Wolff Verlag
Bücherei „Der jüngste Tag“ Band 60/61
Gedruckt bei Dietsch & Brückner · Weimar
Berechtigte Übertragung von Arthur Luther
Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des Buches.
Als ich meine Tage in der Lehre bei einem weisen Greise verbrachte, zündete ich einst in der Nacht in tiefer Seelenverwirrung eine Kerze an und schlug ein Buch auf, das der Greis, mein Meister, in meiner Stube liegen gelassen hatte. Ich wandte die vergilbten, mit Unzialschrift bedeckten Blätter um und begann zu lesen.
Und die Sterne gingen mit dem nächtlichen Dunkel, der Morgen graute, ich aber las und las und hatte nicht gehört, daß man drüben von der Erlöserkirche längst schon zur Frühmesse geläutet hatte.
Und der weise Greis, mein Meister, gab mir seinen Segen, daß ich Euch aus jenem wunderbaren, mit Unzialschrift geschriebenen Buche einige Gleichnisse, Geschichten und Sagen erzähle.
„Geht und glaubt nicht, daß ihr je zurückkommen könntet!Und flucht eurem Gotte nicht. Euer Zorn würde machtlossein und auf euch zurückfallen.“
Und das feurige Schwert in der Hand des Cherubs flammte auf.
Die Pforte des Paradieses fiel zu.
Verzweifelt warfen sich Adam und Eva nieder und weinten.Sieben Tage weinten sie, ohne die Augen aufzuschlagen,ohne sich vom Boden zu erheben.
Und sie vernahmen die Stimme Gottes:
„Ich breite meine Gnade über euch aus. Die Stunde derVerheißung wird kommen, und ich werde euch das Paradieswiedergeben.“
Sie hoben die Augen auf, aber sie sahen Gott nicht wiefrüher.
An der Pforte des Paradieses stand der Cherub, grimmig,mit dem flammenden Schwert.