Phot. A. Bischoff, Jena.
Sechs Abschnitte aus Werken
von
Ernst Haeckel.
Herausgegeben und mit einer Einleitung versehen
von
Carl W. Neumann.
Mit dem Bildnis Ernst Haeckels
und zahlreichen Abbildungen im Text.
Leipzig
Druck und Verlag von Philipp Reclam jun.
Hunderttausende führen den Namen Haeckels im Munde,urteilen über ihn und sein Lebenswerk und kennen dochnichts von ihm als sein vielbefehdetes Buch von den„Welträtseln“; vielleicht auch noch außerdem ein paarkleinere Schriften. Was er vor diesen in vierzigjährigerrastloser Forscherarbeit geschaffen hat, blieb für die meistenGeheimnis. Sie wissen, daß Haeckels Name aufs engsteverknüpft ist mit jener großen Bewegung, die Darwin durchsein epochemachendes Werk „Die Entstehung der Arten imTier- und Pflanzenreiche“ (1859) ins Leben rief, aber siehaben nur unklare Vorstellungen von der besonderen Artder Verdienste Ernst Haeckels. Ganz zu geschweigen vondem, was er unabhängig von Darwin in seinen voluminösenMonographien der Radiolarien, Kalkschwämme, Medusen usw.der Wissenschaft Großes geschenkt hat. Es ist daher angezeigt,der kleinen Auswahl von Abschnitten aus den bedeutendstenpopulären Werken des Jenaer Naturforschers,die dieses Bändchen vereinigt, wenigstens im Umriß einBild seines Lebens und Schaffens voranzustellen.
Ernst Haeckel wurde am 16. Februar 1834 als Sohndes Regierungsrats Karl Haeckel in Potsdam geboren,wuchs aber in Merseburg auf, wohin noch im ersten Lebensjahredes Knaben der Vater versetzt worden war. WerFäden sucht, die bereits aus den Tagen der Jugend insspätere Leben und Wirken des reifen Mannes hinüberwehen,kommt nicht in Verlegenheit. Kraftstrotzender Übermutauf der einen Seite, auf der anderen die Neigung,in einsamen Wanderstunden geheime Zwiesprache zu haltenmit allem, was kreucht und fleucht, grünt und blüht, sindvon früh an hervorstechende Züge im Wesen des Knaben.Der Elfjährige durchstreift schon die Kreuz und die Querdas Siebengebirge, um die vermeintlich nur dort wachsendegraue Erika ausfindig zu machen. Der Merseburger Gymnasiastliefert Beiträge zu Garckes „Flora Hallensis“ undlegt sich in seinen Mußestunden ein Doppelherbarium an,eins für die „guten Arten“, die sich hübsch fügsam in LinnésSystem bequemen, und ein zweites für die „verdächtigen“Genera, die dann, in langer Reihe geordnet, den ununterbrochenenÜbergang von einer guten Art zur anderen demonstrieren.„Es waren die von der Schule verbotenen Früchteder Erkenntnis, an denen ich in stillen Mußestunden meingeheimes, kindisches Vergnügen hatte.“ In Wirklichkeitrührte der Gymnasiast da schon leise an jenes große Problemvon der Dauer und Wandelbarkeit der Arten, das freilichvorerst nur in der Luft lag, aber ihn später so mächtigerfassen sollte.
Als dieses „Später“ im Jahre 1859 in greifbare Nähezu