Für die deutschen Knaben- und
Mädchenschulen in den Vereinigten Staaten
von Amerika.
Von
I. Lehmann,
Vorsteher einer Erziehungs-Anstalt.
St. Louis, Mo.
Verlag von Conrad Witter.
1867.
Entered, according to Act of Congress, in the year 1867, by
CONRAD WITTER,
in the Clerk’s Office of the U. S. District Court of the Eastern
District of Missouri.
Die wahre Bildung ist die Herzensbildung,die wahre Höflichkeit entspringtaus der Herzensgüte und ihr Hauptgrundsatzist: „Was Du nicht willst, daßman Dir thue, das füge Du auch Andernnicht zu.”
Die Menschen haben einander nöthigund die Zwecke des menschlichen Lebenskönnen nur in der Geselligkeit erreichtwerden. Am glücklichsten und frohestenwird das gesellige Leben da sein, woman die Regeln des Anstandes, der Höflichkeitund der guten Sitte am bestenbeobachtet, denn sie erzeugen Achtung undZuneigung, erhalten Friede und Ordnung,und können daher nicht früh genuggelehrt und ausgeübt werden. Die wahreHöflichkeit verträgt sich ganz gut mitrepublikanischer Einfachheit und Würde.
1. Glaube nicht, Anstand und gute Sitte blosin Gesellschaft beobachten zu müssen; es ist sehrnöthig, sich auch zu Hause, selbst beim Alleinsein,daran zu gewöhnen; denn unwillkürlich und ohnedaran zu denken, übt man vor Andern, was mansich gewöhnt hat zu thun, wenn man allein istund wie in Allem, wird auch hier die Gewohnheitzur zweiten Natur.
2. Gewöhne Dich früh aufzustehen! „Früh zuBette und früh wieder auf, das ist der beste Lebenslauf”— für Deinen Körper, für Deinen Geistund für Dein Geschäft. Sieben Stunden Schlafgenügen dem gesunden Menschen vollkommen. WascheDich — zu jeder Zeit — mit frischem Wasser bisan den Gürtel, kleide Dich rasch an, und vergißdann nie, Deine Eltern oder deren Stellvertreter zubegrüßen. Dasselbe thue beim Schlafengehen.
[S 5]3. In Deinem Zimmer, in allen Deinen Sachen,Büchern, Kleidern halte die größte Reinlichkeit unddie pünktlichste Ordnung. Unreinlichkeit und Unordnungim Aeußern verrathen auch einen unordentlichenGeist und erregen in der Gesellschaft Ekelund Widerwillen gegen Dich. Beschmutzte und zerrisseneBücher und Hefte sind eines braven Schülersaus einer guten Familie unwürdig.
4. Man kann sehr schöne, reiche Kleider anhabenund doch schlecht gekleidet sein, während manmit sehr einfachen Kleidern aus groben Stoffen rechtanständig erscheinen kann. Jeder mag sich nachseinem Vermögen kleiden, aber Niemand darf unreinlichsein. Sorge dafür, daß Deine Kleiderstets rein, ohne Schmutzflecken und ohne Risseseien. Es ist lächerlich, wenn junge Leute zu frühden „kleinen Herrn” spielen, eine Zierpuppe sein,alle Moden mitmachen wollen. Mit weißer Wäscheund reinen Stiefeln ist man immer geputzt und kannüberall erscheinen. Selbst beim heißesten Wetter erscheinenicht halbgekleidet, mit offener Brust, barfuß.
5. Deinen Kopf halte stets gerade, nicht ste