DER SPANIER

NOVELLE VON
GUSTAV FALKE

1910
G. GROTE'SCHE
VERLAGSBUCHHANDLUNG·BERLIN

Übersetzungsrecht wird vorbehalten
Buchschmuck von Carl Weidemeyer
Druck von Poeschel & Trepte, Leipzig

DER SPANIER


1. KAPITEL.

Auf und ab flog die Schaukel, und Blanche,in weißem Kleide, ganz in Sonne gehüllt,stand aufrecht darin und konnte sich nichtgenug tun. Immer höher! Immer höher!War das eine Lust!

Die Schaukel kreischte in den Angeln,und Blanche fand eine zeitlang an dieserbarbarischen Musik Vergnügen.

Wie eine lichte Elfe flog sie zwischenall dem Sonnenschein auf und ab, beständigvon weißen Taubenflügeln umspielt.Die dummen und gierigen Geschöpfe flattertenimmer wieder von der Dachtraufe,oder der Laube, oder dem Taubenschlagauf die Erde, um dort nach irgend etwas,was ihren Schnabel reizte, zu picken, und alsbald, von der vorübersausendenSchaukel erschreckt, wieder lärmend aufzuschwirren.Es waren ihrer zwanzig, alleschneeweiß mit roten Füßen und rotenSchnäbeln, und leuchteten in der Frühlingssonne,wie Blanche in ihrem weißen Kleide.Der ganze Frühling war weiß und leuchtete.Aus dem Garten schimmerten dieschneeigen Kronen der vielen Obstbäume,und die hohe Bretterwand der Schaukelgegenüber war ganz und gar mit Pfirsichblütenbedeckt; ein zartes Rosa, wie auf denWangen der kleinen Blanche.

Wie schön waren doch diese Tage! Eswar nicht mehr das erste Knospen, das dieVorfrühlingstage so unendlich reizvoll macht,die Vorfrühlingstage, wo man still, mit einemerwartungsvollen Lächeln, durch den Gartengeht, zart und zärtlich die kleinen winzigenKnospenkinder anblickt und fast behutsamauftritt, als könnte man irgend etwas stören,und die ganze erwartete Seligkeit könnteausbleiben; es war jetzt nichts mehr zu erwarten, es war schon alles da, der ganze,volle Frühling. Wie in einem Rausch hattesich die Natur erschlossen; ein Blühenund Duften war es, und die Luft schwirrtevon den Flügeln der kleinen Insekten, dieum die Honigtüten summten, und denBlütenstaub von Blume zu Blume trugen.Und über dem Allen wölbte sich ein reiner,lichtblauer Himmel, durch den nur ein einzigesweißes Wölkchen wie in seliger Verträumtheitdahin schwamm.

Über dem Pfirsichspalier tauchte jetzt einblonder Knabenkopf auf, ein längliches,blasses Gesicht mit einer Pagenfrisur.

»Lux! Lux! komm schnell einmal herüber!«rief Blanche. »Ich habe dir etwasNeues zu erzählen!«

Sofort verschwand der Pagenkopf wieder,und Blanche sprang aus der Schaukel.Ohne sich zu besinnen, lief sie durch diePforte eines niedrigen, grün gestrichenenHolzgitters, das Hof und Spielplatz gegenden Garten abschloß, und ging dann ein wenig langsamer einen schmalen Steig hinunter,den zu beiden Seiten die schlankenStämmchen junger blühender Pflaumenbäumeeinfaßten. Dahinter erstreckten sichrechts und links sauber abgezirkelte Gemüsebeete,gegen den Steig von einer schmalenBlumenrabatte begrenzt, auf der gelbe Tazetten,weiße Narzissen und blaue Iriskelchestill in der Sonne standen und sich voneinigen gewöhnlichen Kohlweißlingen denHof machen ließen.

Bei einem alten Dornbusch, dessen phantastischgewundene Äste weit ausgriffen undeine roh aus Holz gezimmerte Bank überschatteten,und in dessen weißem Blütendachunzählige Sperlinge zankten,

...

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