Eine Erzählung
von
Wilhelm Weigand
Im Insel-Verlag zu Leipzig
An einem schönen Maimorgen des Jahres 1751 fuhreine festliche Gesellschaft in einem Dutzend alterStaatskutschen aus dem Falkentor der ReichsstadtFrankenthal auf das Appental los. Es galt, der Grundsteinlegungdes Schlosses Monrepos anzuwohnen, das derFürstbischof Adam Friedrich von Helmstätt nach den PlänenJohann Balthasar Neumanns für seinen Neffen, den jungenFürsten Lothar Franz von Weiningen, der sich just aufseiner Kavalierstour durch Europa befand, an der Stelleeines alten Jagdhauses errichten ließ. Am Vorabend desbedeutsamen Ereignisses war der Domherr Withold vonHutten als Vertreter seines Herrn, der in Würzburg ander Gicht darniederlag, mit einem würdigen Gefolge vonWeltgeistlichen und bischöflichen Beamten in Frankenthalangelangt, um die Ehrengäste auf dem Bauplatze zu begrüßenund nach der Grundsteinlegung unter einem offenenZelte zu bewirten. Auf der Herreise war er in dem WallfahrtsorteWalldürn mit einem Sohne des kurmainzischenOberamtmanns zu Bischofsheim, dem jungen FreiherrnEmmerich Rüdt von Collenberg, zusammengetroffen, der ineiner Familienangelegenheit an den Hof nach Mainz gingund die berühmte Reichsstadt nur auf der Durchreise zu berührengedachte. Doch das Unglück wollte es, daß dervorausfahrende Kutscher des Freiherrn, ein gewalttätigerBursche, in der engen Torgasse gegen einen Prellstein fuhrund die Achse seines Reisewagens brach. Der junge Herrgab dem Tölpel einen Fußtritt; aber er mußte sich, trotzaller Eile, wohl oder übel entschließen, bis zur Ausbesserungdes Schadens in der Stadt zu verweilen, und der Domherrzeigte sich hocherfreut, unter den zahlreichen Gästen einenBekannten zu wissen, dessen Späße ihm die Fahrt kurzweiliggemacht hatten. Der junge Fant machte kein Hehlaus seinem Wesen: er war für den Hofdienst in Mainz bestimmt;er war in Venedig und in Paris gewesen, und waser von dem Leben der guten Gesellschaft an diesen Lustortender höhern Welt zu erzählen wußte, ließ die kleinen Äugleindes beleibten geistlichen Herrn bei der Erinnerung an diesesfestliche Treiben immer wieder erglänzen. —
In der ersten Festkutsche fuhr der Domherr mit demBürgermeister Adam Lienlein und zwei geistlichen Herren,dem katholischen Dekan Lotter und dem evangelischen PropstVeit Schlegelmilch, einher; in einer zweiten folgte dieBürgermeisterin mit den Gattinnen dreier Ratsherren; diedritte Kutsche war vollbepackt mit Jugend und Schönheit:unter den vier geputzten Mädchen, die da lachend undkichernd in den Morgen hineinfuhren, saß ein blondes elfenhaftesWesen, die Tochter des verstorbenen Oberförstersvon Weiningen, Babette Glock, aufrecht wie eine jungeKönigin auf dem Rücksitz und wechselte schelmische Blickemit dem Junker Emmerich Rüdt, der in französischem Reitrockneben der bemalten Kutsche einherritt und unter seinemFederhut mit den Augen eines glücklichen Siegers auf diezwitschernde Weiblichkeit in dem Wagen herabsah. Je lustigeraber das Lachen der Mädchen klang, desto finsterer blicktendie jungen Herren drein, die in einem wackeligen Gefährt hinterdem dritten Wagen einherrasselten: da saß, außer zweiRatsherrnsöhnen, der einzige Sohn des Bürgermeisters,Kaspar Lienlein, der im Frühjahr von der Akademie zuMainz nach Hause gekommen war, neben dem neuen Stadtschreiberoder Kanzler Friedrich Lerch, den der große Ratjust am Tag zuvor erst gewählt hatte und der nun der Bestätigungseiner W