ANTON TSCHECHOW
und andere Grotesken
Mit
acht Holzschnitten
von
W. N. MASSJUTIN
1922
Welt-Verlag / Berlin
Deutsch von Alexander Eliasberg
Alle Rechte vorbehalten
Copyright by the Welt-Verlag 1922
Gedruckt bei Otto v. Holten, Berlin C.
Seite | |
Der Persische Orden | 9 |
Die Simulanten | 14 |
Aus dem Tagebuch des zweiten Buchhalters | 20 |
Ein böser Junge | 25 |
Es war sie! | 30 |
Ein jähzorniger Mensch | 37 |
Eine problematische Natur | 50 |
Intrigen | 55 |
In einer der diesseits des Urals gelegenen Städte verbreitete sich das Gerücht, daßdieser Tage im Hotel »Japan« der persische Würdenträger Rachat-Chelam abgestiegensei. Dieses Gerücht machte auf die Bürger nicht den geringsten Eindruck:ein Perser ist angekommen, was ist denn dabei? Nur das Stadthaupt StepanIwanowitsch Kuzyn wurde, als er vom Sekretär des Magistrats über die Ankunftdes Orientalen erfuhr, nachdenklich und fragte:
»Wohin reist er denn?«
»Ich glaube, nach Paris oder nach London.«
»Hm! … Ist also ein großes Tier?«
»Das weiß der Teufel.«
Als das Stadthaupt aus dem Magistrat heimgekommen war und zu Mittag gegessenhatte, wurde es wieder nachdenklich und dachte diesmal bis zum Abend durch. DieAnkunft des vornehmen Persers intrigierte ihn außerordentlich. Er glaubte, dasSchicksal selbst habe ihm diesen Rachat-Chelam gesandt und endlich sei dergünstige Augenblick zur Verwirklichung seines sehnlichsten und leidenschaftlichstenWunsches gekommen. Kuzyn besaß nämlich schon zwei Medaillen, den Stanislaus-OrdenIII. Klasse, die Denkmünze des Roten Kreuzes und das Abzeichen des»Vereins zur Rettung Schiffbrüchiger«; außerdem hatte er sich ein Anhängsel fürdie Uhrkette machen lassen, das ein mit einer Gitarre gekreuztes goldenes Gewehrdarstellte und das, aus dem Knopfloch seines Uniformrocks heraushängend, ausder Ferne wie etwas Besonderes aussah und als ein Ehrenzeichen angesehen werdenkonnte. Es ist bekannt, daß je mehr Orden und Medaillen einer hat, er um so mehr[10]weitere haben möchte, – d