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Reinecke-Altenau
Das Heimatbuch
eines Malers
1924
Verlag von F. A. Lattmann, Goslar am Harz
Erstes und zweites Tausend
[5]
Alles Gute, Schöne, Heilige umschließt mir dein Name, du liebeHarzheimat im Wiesengrund! Wenn ich dich nenne, tue ich es mitder Ehrfurcht, mit der man eine Mutter nennt: Denn ich bin dein Kind.Was das Leben aus mir schuf, ist deinem Schoße entsprossen. Allerguten Kräfte Urquell ist die Heimat. Wenn mein Schaffen sich mitdir verknüpft, nenne es Liebe, nenne es Dank.
Ich bin dein Kind geblieben, du Bergstädtlein im Grünen, und willnichts anderes sein. Dein Kind wie einst, das mit großen Augen dieWunder deiner Wälder in die Seele trank und dem du dich ins Herzgrubst so tief und fest, daß ein ewiges Heimweh in ihm brennen blieb.– Als ich Jüngling war, war dies Heimweh ein schmerzvolles Zerren.Dem Manne ist es stilles Feiertagsgeläut, das aus einem fernen verlorenenParadiese herüberschwingt. Bergblumen blühen dort, undWaldvögel singen. Auf grüne Wiesen schauen blaue Berge herab.Und über allem ist ein weiches Zusammenklingen von Fichtenrauschenund Bachgeplätscher. Das bist du, Paradiesgarten meiner Jugend,Harzheimat!
Als ich noch Bubenhosen trug, lagst du ein wenig hinterm Berge. Alswenn die Zeit in dir ihren Schritt verhalten hätte. Im Zwiebelturmder Kirche tackte noch das gleiche Uhrwerk, das schon in den Tagenvon Richter und Rat die Stunden schlug. Und an dem verwitterten[6]Zifferblatt drehte sich immer noch der eine Zeiger, mit dem sich nur dieAlten zurechtfanden. Die Zeit weiß ich freilich nicht mehr, in der nurSaumpfade und grundtiefe Waldwege von draußen her zu dir führten,auf denen Eseltreiber das Brotkorn vom Lande heraufbrachten. Diesealte Zeit war dahin. Als der letzte jener Zunft gehörige Esel dasMißgeschick hatte, an einem Dämmerabend für einen Hirsch gehaltenund von einem Wilddieb jämmerlich zuschanden geschossen zu werden,war längst eine neue angebrochen. Aber hinterm Berge lagst du immernoch. Ach, wärest du dort geblieben, Harzheimat!
Das Hinterwäldlertum stand gut zu deinem Gesicht. Ein rechtes Bergmädelbist du gewesen, das zwischen Wiese und Wald aufgewachsenwar und in stillen Augen stille Träume spann. Das laute Leben jenseitsder Berge paßte nicht in deinen Frieden hinein. Du trugst keinVerlangen nach ihm. Die Leute in dir fanden ihr Genüge darin,zweimal in der Woche durch den Briefträger Nachricht von draußen zuerhalten oder im Wochenblättche