Drei Novellen von
Dritte Auflage
S. Fischer, Verlag, Berlin
1907
[6]Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung,vorbehalten.
Published, May 10, 1906. Privilege of copyrightin the United States reserved under the act approvedMarch 3, 1905 by S. Fischer, Verlag, Berlin.
Donna Johanna von Castilien | Seite | 9 |
Sara Malcolm | " | 69 |
Clarissa Mirabel | " | 99 |
[11]Die Infantin Johanna wurde geboren beimSterbensgeschrei von mehr als hundert Ketzern,die in derselben Stunde den Feuertod erlittenund unter demselben Fenster, hinter dem dieKönigin Isabella in Wehen lag.
Des Kindes Haut zeigte eine bernsteingelbe Farbeund seine Augen waren groß, tief, still und düster.Außerdem hatte es unter der Brust ein Mal in Formeines liegenden Kreuzes, von sonderbaren hellerenLinien umgeben, die züngelnden Flammen glichen.Am Hof entstand später das Gerücht, daß die Infantinden Anblick des Feuers nicht ertragen könne.
Nicht wie andere Kinder hatte sie Freude an Spielund Tand und bei festlichen Gelegenheiten verbarg sie sichund suchte die Einsamkeit. Sie lernte spät sprechenund galt bei allen, die sich auf den menschlichen Geistverstehen, alsbald für blöde. Ihren Eltern brachtesie wenig Liebe entgegen, auch sah man sie niemalsmit wahrer Inbrunst beten, doch immer wenn dieNacht kam, wurde sie noch scheuer als sonst und imSchlaf schrie sie wie ein Teufel aus peinigenden Träumenauf.
Der König, dem das Kind ein ängstlicher undtrübsinniger Anblick war, suchte sie mehr und mehraus seinen Augen zu entfernen, und als sie elf Jahrezählte, schickte er sie ins Kloster Santa Maria delas Huelgas bei Burgos; sein Entschluß hiezu wurdedurch den Vorfall mit dem englischen Windspiel bekräftigt.
Johanna besaß nämlich ein englisches Windspiel[12]von edler Rasse; sie hing mit großer Liebe an demTier, es mußte des Nachts neben ihrem Bette schlafen,sie gab ihm selbst zu fressen und führte es selbst indie Gärten. Das Tier war auch seinerseits der jungenHerrin treu ergeben. Eines Nachts aber geschah es,daß sich Johanna aus dem Schlaf erhob; es warein Gewitter, und in dunkler Furcht schritt sie zumFenster. Das Windspiel aber, mochte es nun durchDonner und Blitz erschreckt und erregt sein oder einTraum seinen Instinkt getrübt haben, knurrte plötzlichund b