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Copyright S. Fischer, Verlag
Der blinde Geronimo und sein Bruder | 7 |
Die Toten schweigen | 53 |
Die Weissagung | 85 |
Das neue Lied | 128 |
Die griechische Tänzerin | 157 |
Der blinde Geronimo stand von der Bank aufund nahm die Gitarre zur Hand, die auf demTisch neben dem Weinglase bereit gelegen war.Er hatte das ferne Rollen der ersten Wagen vernommen.Nun tastete er sich den wohlbekanntenWeg bis zur offenen Türe hin, und dann ging er dieschmalen Holzstufen hinab, die frei in den gedecktenHofraum hinunterliefen. Sein Bruder folgte ihm,und beide stellten sich gleich neben der Treppe auf,den Rücken zur Wand gekehrt, um gegen den naßkaltenWind geschützt zu sein, der über den feuchtschmutzigenBoden durch die offenen Tore strich.
Unter dem düsteren Bogen des alten Wirtshausesmußten alle Wagen passieren, die den Weg über dasStilfserjoch nahmen. Für die Reisenden, welche vonItalien her nach Tirol wollten, war es die letzte Rastvor der Höhe. Zu langem Aufenthalte lud es nichtein, denn gerade hier lief die Straße ziemlich eben,ohne Ausblicke, zwischen kahlen Erhebungen hin. Derblinde Italiener und sein Bruder Carlo waren inden Sommermonaten hier so gut wie zu Hause.
Die Post fuhr ein, bald darauf kamen andereWagen. Die meisten Reisenden blieben sitzen, in Plaidsund Mäntel wohl eingehüllt, andere stiegen aus undspazierten zwischen den Toren ungeduldig hin und her.Das Wetter wurde immer schlechter, ein kalter Regenklatschte herab. Nach einer Reihe schöner Tage schiender Herbst plötzlich und allzu früh hereinzubrechen.
Der Blinde sang und begleitete sich dazu auf derGitarre; er sang mit einer ungleichmäßigen, manchmalplötzlich aufkreischenden Stimme, wie immer, wenner getrunken hatte. Zuweilen wandte er den Kopfwie mit einem Ausdruck vergeblichen Flehens nachoben. Aber die Züge seines Gesichtes mit den schwarzenBartstoppeln und den bläulichen Lippen bliebenvollkommen unbeweglich. Der ältere Bruder standneben ihm, beinahe regungslos. Wenn ihm jemandeine Münze in den Hut fallen ließ, nickte er Dank undsah dem Spender mit einem raschen, wie irren Blickins Gesicht. Aber gleich, beinahe ängstlich, wandte erden Blick wieder fort und starrte gleich dem Bruderins Leere. Es war, als schämten sich seine Augen desLichts, das ihnen gewährt war, un