Anmerkungen zur Transkription

Das Original ist in Fraktur gesetzt.Im Original gesperrter Text ist so ausgezeichnet.

Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sicham Ende des Buches.

Herr, mach’ uns frei!

Dekoration

Roman

von

Gustav Hildebrand.

Signet

Leipzig.

Bruno Volger, Verlagsbuchhandlung.

1908.


[3]

1. Kapitel.

Der zur Rüste gehende Julitag hatte alle vorangegangenenTage, so heiß sie auch gewesen waren, übertroffen.Vom frühen Morgen ab hatte die Sonne vondem wolkenlosen Himmel auf die Erde herabgeschienen.Nun ging aber ihre Herrschaft zu Ende, denn der glühendeBall näherte sich dem Himmelsrand und seine Strahlenglitten in schräger Richtung über die Landschaft.

Auf der alten Poststraße, die von Borna nachLeipzig führte, schritt ein junger Mann fürbaß, dessenmüder Gang verriet, daß er heute schon einen weitenWeg zurückgelegt hatte. Er hatte den leichten Strohhutin den Nacken geschoben und lüftete ab und zu das kleineRänzel, das ihn nach so langen Stunden wohl argdrücken mochte.

Ein schmaler Weg kreuzte die Straße, und an demSchnittpunkt stand ein alter Meilenstein. Der Wandererging zu ihm hin, stützte sich hintenübergelehnt mit beidenArmen auf seinen derben Knotenstock und versuchte, diekaum noch leserlichen Buchstaben auf dem verwittertenStein zu entziffern. Nach einigem Bemühen las ermit lauter Stimme: »Rehefeld ¼ Meile.«

Eine muntere Melodie pfeifend, hieb der Fremdemit dem Stock ein paarmal vergnügt ins Blaue undschlug dann den schmalen Weg ein. Die Aussicht auf das[4]nahe Ziel belebte seine Kräfte sichtlich aufs neue. Obwohlder Weg nicht bequem zu gehen war, denn hübenund drüben hatten schwerbeladene Wagen tiefe Radspurenhinterlassen, und aus dem schmalen Grasstreifenin der Mitte ragten zahlreiche, spitze Steine hervor, eilteder Wanderer dennoch mit schnellen Schritten vorwärts.Ein schwacher Wind hatte sich erhoben, der ihm wohltuendeKühlung spendete, und vor dem die mannshohenHalme ihre schweren Häupter leicht hin- und herwiegten.

Zu seiner Linken verlor sich das Land in eineunabsehbare Ebene, während vorwärts und nach rechtshin ein dichtes Waldstück die Fernsicht versperrte.

Nach wenigen Minuten befand er sich inmitten derFichten, durch die der Weg jetzt leicht anstieg. In kurzerZeit aber wurde der Wald wieder lichter und die Bäumehochstämmig, und nach einigen Schritten verdoppelterEile, und nachdem der Weg eine letzte, scharfe Biegungnach rechts gemacht hatte, trat der Fremde wieder insFreie.

Ein herrliches Bild bot sich den entzückten Augendes Wanderers. Zu seinen Füßen schlängelte sich inseinem tiefeingeschnittenen Bette gleich einem silbernenStreifen der Göselbach dahin, zu dessen beiden Seitenzahlreiche, hochstämmige Lindenbäume und Ulmen standen,aus deren saftigem Grün die Häuser des Dorfes hervorlugten.Die dunkeln Balken in den Giebelwänden hobensich von dem weißgetünchten Mauerwerk scharf ab, undhier und da schlängelte sich aus einem Schornstein schoneine dünne Sä

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